Von Geoffrey Smith
Investing.com - Der ESG-Trend hat sein wohl bisher prominentestes Opfer gefordert.
Der Vorstandsvorsitzende von Rio Tinto (NYSE:RIO), Jean-Sebastien Jacques, wurde nach wochenlangem Druck institutioneller Aktionäre nach der Zerstörung eines einzigartigen prähistorischen Höhlenkomplexes in der Pilbara-Region in Westaustralien durch Rio Tinto (NYSE:RIO) abgesetzt.
Zwei weitere hochrangige Führungskräfte, der Leiter der Eisenerzabteilung, Chris Salisbury, und die Leiterin der Abteilung für Unternehmensbeziehungen, Simone Niven, werden ebenfalls gehen, was an der Spitze des Geschäftsbereichs, der das meiste Geld für Rio erwirtschaftet, ein unbehagliches Vakuum schafft. Die Rio-Aktien, die sich während der ganzen Aufregung gut genug gehalten haben, stiegen bis Freitagmorgen um weitere 1,2%.
Für den in Frankreich geborenen Briten, der Rio in den letzten drei Jahren zu einer der am besten performenden Bergbauaktien der Welt gemacht hatte, ist es ein erschütternder Gnadenstoß, und eine heilsame Lektion für jeden modernen CEO, der es wagt, die Bedeutung der nicht-finanziellen Performance im heutigen Geschäftsleben zu unterschätzen.
ESG-Investitionen (Environmental, Social and Governance - Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sind in den Industrieländern zunehmend gefragt, worin sich die gestiegene Bedeutung widerspiegelt, die ( finanziell gut situierte) Investoren heute den Fragen der Nachhaltigkeit beimessen.
Insbesondere in Europa sind die Zuflüsse in ESG-Fonds sprunghaft angestiegen, da eine neue Generation von Anlegern in diese Anlageklasse gewechselt ist. Sie machten laut Morningstar ein Drittel aller europäischen Fondsumsätze im zweiten Quartal aus. Dieser Trend war einer der Faktoren für die spektakuläre Outperformance von Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien gegenüber Big Oil in diesem Jahr.
In einer Welt, in der aktiv gemanagte Fonds ständig Marktanteile an algorithmusgesteuerte ETFs verlieren, sind ESG-Themenfonds in der Tat eines der wenigen verbleibenden Verkaufsargumente für Vermögensverwalter, in dem sie noch ein überzeugendes Argument für ihre hohen Managementgebühren haben.
In der Regel ist es die Performance der Unternehmen in Bezug auf das Element E (für Environmental), die bisher die meiste Aufmerksamkeit von Investoren erhalten hat. Ein Grund dafür, dass sich Rio in vielen ESG-Portfolios wiederfindet, ist Jacques' Entscheidung, die Vermögenswerte des Unternehmens im Bereich Kraftwerkskohle zu veräußern, da Kohle bei der Förderung des Klimawandels eine wichtige Rolle spielt.
Unglücklicherweise hat das Unternehmen jedoch den S-Teil (für Social) aus den Augen verloren. Die Höhlen der Juukan-Schlucht waren eine Stätte von außerordentlichem archäologischem Interesse, da sie Beweise für eine anhaltende menschliche Besiedlung vor über 45.000 Jahren (vor der letzten Eiszeit) aufweisen. Im Vergleich dazu sehen selbst Orte wie Stonehenge ungefähr so alt aus wie ein Wolkenkratzer in Dubai.
Das allein hätte genügen müssen, um zu verhindern, dass Rio sie im Rahmen seiner Pläne zur Erweiterung einer großen Eisenerzmine sprengt.
Erschwerend kam hinzu, dass die Nachfahren der Höhlenbewohner - die Puutu Kunti Kurrama und Pinikura Aborigines - noch immer in der Region leben und sich intensiv für den Erhalt der Höhlen eingesetzt hatten. Die Kontroverse wurde somit durch die umstrittene Politik der Beziehungen Australiens zu seinen First Nations um ein Vielfaches verschärft.
Die Proteste des Unternehmens, dass es alle notwendigen rechtlichen Genehmigungen für den Schritt erhalten habe, sind zwar sachlich korrekt, aber moralisch gesehen absolut wertlos. Die Macht von Big Mining über solche Prozesse ist zu oft dokumentiert worden, als dass diese Ausrede noch viel Gewicht hätte.
Zum Guten oder zum Schlechten, die vergangenen Generationen von Aktionären haben diese Realität jahrzehntelang akzeptiert. Die heutige Generation, die durch die Mitwirkung von Vermögensverwaltern verzweifelt versucht, ESG-Mandate nicht zu verlieren, ist aus anderem Holz geschnitzt.