(neu: mehr Details und Hintergrund)
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Aktionäre von Daimler (4:DAIGn) sind über den überraschend massiven Einstieg des chinesischen Autobauers Geely alles andere als begeistert. Statt Kursgewinnen, die normalerweise auf Anteilskäufe folgen, gaben die Aktien des Stuttgarter Premiumherstellers am Montag zeitweise spürbar nach.
Gegen Mittag büßten die Daimler-Papiere im erholten Dax (DAX) noch 0,61 Prozent auf 69,98 Euro ein und waren damit weiterhin größter Verlierer im Leitindex. Einerseits ist durch den auf einen Schlag großvolumigen Einstieg von Geely einiges an Kursfantasie aus der Aktie gewichen. Andererseits wirft der Schritt jede Menge Fragen auf, die sich insbesondere um den Nutzen für Daimler drehen, oder auch, wie es mit dessen Restrukturierungsvorhaben nun weiter gehen werde.
Am frühen Freitagabend war bekannt geworden, dass der Hauptanteilseigner von Geely, der Milliardär Li Shufu, 9,7 Prozent an Daimler erworben hat. Dabei hatte Daimler erst kürzlich eine Beteiligung der Chinesen abgelehnt. Es sei deshalb damit gerechnet worden, dass Geely an den Markt geht, um 3 bis 5 Prozent an Daimler aufzukaufen, schrieb Analyst Paul Gong von der UBS (SIX:UBSG). Doch diese Prognose hätten die Chinesen nun überraschend bei weitem überboten.
Normalerweise nämlich muss bereits ab einem Anteil von 3 Prozent eine öffentliche Mitteilung erfolgen. Dann springen in der Regel viele Anleger auf den fahrenden Zug auf, in der Hoffnung, dass der Interessent weitere Anteile erwirbt. So können sie mit profitieren. Doch im Falle Geely/Daimler verhinderte der geschickte Schachzug einer Optionsschein-Strategie ein Hochschaukeln des Aktienkurses.
Zudem kann der chinesische Autobauer, da er nun größter Anteilseigner bei Daimler ist, jetzt auch einen Posten im Aufsichtsrat des Konzerns beanspruchen. "Das ist gleich aus mehreren Gesichtspunkten zu hinterfragen, denn dadurch wird dem chinesischen Konkurrenten nicht nur ein tieferer Einblick in die Organisation von Daimler möglich, sondern auch in zukünftige Strategien und Technologien", merkt Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank (DE:CDBG) kritisch an. Zudem könnte es mit dem bisherigen Kooperationspartner in China, dem Autobauer BAIC, laut dem UBS-Experten Gong nun komplizierter werden. Und auch die Chancen auf eine neue Konzernstruktur verringerten sich nun wieder, ergänzte Bernstein-Analyst Max Warburton.
Analysten wie Warburtons Kollege Robin Zhu fragen sich außerdem, was konkret der chinesische Autobauer den Stuttgartern bieten kann. Insbesondere stelle sich diese Frage hinsichtlich der Entwicklung von Elektrofahrzeugen, dem - wie die Chinesen über Medien hatten kolportieren lassen - angeblich zentralen Aspekt ihres Einstiegs. Laut Zhu ist die plausibelste Erklärung für die Einkaufstour von Lu Shufu jedoch eher ein staatlich gewollter Deal. Chinas Regierung könnte seines Erachtens Geely als Vehikel ausgewählt oder zumindest aber ihren Segen dazu gegeben haben. Damit sei womöglich auch die aufgrund des Daimler-Coups extrem angewachsene Verschuldung Geelys weniger wichtig. "Wie immer in solchen Fällen geht es letztlich um Technologietransfer", interpretiert Börsenbrief-Autor Hans Bernecker den aggressiven Schritt der Chinesen.