Berlin/Görlitz (Reuters) - Ursula von der Leyen hat einen Tag vor der Abstimmung über ihre Nominierung zur EU-Kommissionspräsidentin den Verzicht auf das Amt der Bundesverteidigungsministerin angekündigt.
Unter dem Titel "Meine Entscheidung für Europa" erklärte die CDU-Politikerin am Montag via Twitter, dass sie unabhängig vom Ausgang des Votums im Europaparlament am Mittwoch ihr Amt in Berlin aufgeben werde. Sie trete zurück, "um meine volle Kraft dem Dienst für Europa zu widmen", schrieb von der Leyen in drei Sprachen auf Twitter. Kanzlerin Angela Merkel begrüßte den Rücktritt der Verteidigungsministerin.
Zuvor hatte von der Leyen mit neuen inhaltlichen Angeboten um Zustimmung geworben. In einem Reuters vorliegenden, achtseitigen Brief an Liberale und Sozialdemokraten versprach sie unter anderem als neue Präsidentin der Brüsseler Behörde die Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen zu verschärfen. Sie schlage bis 2030 eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes von mindestens 50 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Zudem stellte sie sich hinter eine europäische Arbeitslosenversicherung sowie eine Reform der Aufsicht von Recht und Gesetz in den Mitgliedsstaaten und der Flüchtlings- und Außenpolitik.
Das Europaparlament stimmt am Dienstag über die Nominierung von der Leyens zur neuen EU-Kommissionspräsidentin durch den EU-Rat ab. Ihre Wahl gilt nicht als sicher, sie benötigt die absolute Mehrheit von 376 der 751 Stimmen. Vorbehalte gibt es vor allem bei den Sozialdemokraten und Liberalen.
EU-Diplomaten bewerteten die Rücktrittsankündigung als Versuch, die Abgeordneten zu gewinnen. Von der Leyen mache Kritikern damit klar, wie ernst sie die Bewerbung als EU-Kommissionspräsidentin nehme. Sollte sie am Dienstag aber bei der Wahl zur Präsidentin scheitern, könnte sie als deutsche EU-Kommissarin nominiert werden. Merkel lobte, dass von der Leyen mit "Verve" für ihre Kandidatur eintrete. "Das freut mich. So kenne ich sie auch", fügte die Kanzlerin hinzu. Wird von der Leyen gewählt, wäre sie die erste Frau an der Spitze der Brüsseler Behörde und die erste Deutsche nach mehr als 50 Jahren.
Merkel ging nicht auf die Frage ein, wer von der Leyens Nachfolger als Verteidigungsminister werden könnte. Als sicher gilt nur, dass die Anzahl der Frauen im Kabinett auf Unionsseite gleich bleiben soll. Danach müsste bei einer direkten Besetzung oder einem Stühlerücken im Kabinett eine neue Ministerin ernannt werden. Als eine Variante wird in Berlin gehandelt, dass Gesundheitsminister Jens Spahn Verteidigungsminister und Integrations-Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (beide CDU)dann neue Gesundheitsministerin werden könnte.