von Robert Zach
Investing.com - Die Inflation in den USA gibt stärker nach als gedacht. Im Monatsvergleich legten die Verbraucherpreise im Oktober um 0,4 Prozent zu, wie das Arbeitsministerium am Donnerstag in Washington mitteilte. Die jährliche Inflationsrate nahm damit auf 7,7 Prozent ab. Volkswirte hatten mit 0,5 Prozent bzw. 8,0 Prozent gerechnet.
Die Teuerung in den USA liegt damit zwar weiterhin nahe dem höchsten Stand seit über 40 Jahren, hat sich aber seit dem Höchststand von 9,1 Prozent im Juni abgekühlt. Im Oktober 2020 hatte die Rate noch 1,4 Prozent betragen.
Abgeschwächt hat sich die Inflation bei Gebrauchtwagen: Sie kosteten im Monatsvergleich 2,4 Prozent weniger, im September waren es minus 1,1 Prozent. Auch die Bekleidungskosten gingen zurück. Für Energie mussten die Verbraucher dagegen 1,8 Prozent mehr bezahlen. Heizöl kostete 19,8 Prozent mehr, Benzin verteuerte sich um 4,0 Prozent. Strom kostete 0,1 Prozent mehr.
Lebensmittel verteuerten sich auch im Oktober um 0,6 Prozent (nach +0,8 Prozent im September). Frühstücksflocken und Bäckereiprodukte wurden um 0,4 Prozent teurer, Fleisch, Geflügel, Fisch und Eier um 0,6 Prozent. Günstiger wurden dagegen Obst und Gemüse (-0,9 Prozent) sowie Molkereiprodukte (0,1 Prozent).
Mittlerweile wichtigster Preistreiber bleibt aber das Wohnen: hier stieg die so genannte "Owners' equivalent rent of residences - OER" um 0,6 Prozent (0,8 Prozent im Vormonat). Um 0,8 Prozent stieg die Gesamtkategorie an.
In der Abgrenzung ohne Lebensmittel und Energie nahmen die Preise um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat zu (erwartet +0,5 Prozent). Die Kern-Inflationsrate verringerte sich von 6,6 Prozent auf 6,3 Prozent und damit stärker als gedacht.
Die heute vorgestellten Zahlen des US-Arbeitsministeriums dürften zwar nicht ausreichen, um die Fed zu einer Abkehr von ihrem restriktiven Kurs zu bewegen, so Paul Ashworth, Chefökonom für Amerika bei Capital Economics. "Unserer Einschätzung nach dürfte dies allerdings den Beginn eines viel längeren Disinflationstrends markieren, der die Fed zu einem Stopp ihres Straffungszyklus Anfang nächsten Jahres bewegen wird. Der Leitzins dürfte bei 4,50 bis 4,75 Prozent seinen Höhepunkt erreichen, bevor die Fed vor Ende 2023 wieder mit Zinssenkungen beginnt."
Pantheon Macroeconomics sieht in den Zahlen ebenfalls berechtigten Grund zur Zuversicht an der Preisfront und verweist auf den sich aufbauenden Abwärtsdruck in der Pipeline. "Für November - die Daten werden einige Tage vor der FOMC-Sitzung im Dezember veröffentlicht - erwarten wir einen weiteren gutartigen Kernindex, was der Fed Spielraum für eine Zinserhöhung um lediglich 25 Basispunkte gibt, vorausgesetzt, die Beschäftigungs- und Lohnzahlen fallen ebenfalls eher moderat aus. Aber das ist keine allzu gewagte Wette. Wir erachten weitere Zinserhöhungen für einen Fehler und halten es für unwahrscheinlich, dass der Endzins bis auf 5 Prozent steigen wird", heißt es in einer Notiz.
"Dank der Entspannung an der Preisfront im Oktober kann das FOMC das Anhebungstempo verlangsamen", kommentierte Jay H. Bryson, Ph.D., Chefökonom bei Wells Fargo (NYSE:WFC). Trotzdem solle man sich keine Illusionen machen, die Fed habe noch viel zu tun, um die Inflation einzudämmen. "Wir erwarten weiterhin eine Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte auf der Dezember-Sitzung und ein Zinshoch bei 5,25 Prozent im März angesichts der robusten Verbraucherausgaben und der Stärke des Arbeitsmarktes", schrieb er.
An den Märkten wurden die schwächer als erwartet ausgefallenen Inflationszahlen äußerst wohlwollend aufgenommen: Die Futures für den Dow Jones explodierten um 771 Punkte bzw. 2,38 Prozent auf 33.288 Punkte. Der S&P 500 und der Nasdaq 100 gewannen 2,88 Prozent bzw. 3,70 Prozent. Auch der Russell 2000 Small-Cap-Index zog kräftig an.
Das Nachsehen hatte dagegen der US-Dollar, der aufgrund sinkender Zinserhöhungserwartungen massiv unter Druck geriet. Er verliert zur Stunde 1,33 Prozent auf 108,96. Im Gegenzug steigt der EUR/USD wieder über die Parität und erreicht mit Kursen von über 1,01 Dollar ein neues Tageshoch. Am Rentenmarkt setzen zehnjährige Treasuries zu einer dynamischen Rally an, entsprechend fällt die Rendite. Sie sank um mehr als 20 Basispunkte auf 3,93 Prozent.
Die XXL-Inflation hat den Handlungsdruck auf die Federal Reserve (Fed) in diesem Jahr konstant hochgehalten. Zur Eindämmung der Inflation vollzog sie in diesem Jahr den schnellsten Straffungszyklus - bestehend aus Zinserhöhungen und QT - seit den frühen 1980er Jahren. Um insgesamt 375 Basispunkte ist der Leitzins seit Jahresanfang angehoben worden. In jeder der letzten vier Sitzungen stieg er gar um ungewöhnlich hohe 75 Basispunkte. Derzeit liegt der Schlüsselzins der Fed in einer Spanne von 3,75 bis 4,00 Prozent - der höchste Stand seit Januar 2008. Weitere Zinserhöhungen sollen laut Fed-Chef Powell folgen. Auf seiner letzten Pressekonferenz öffnete er sogar die Tür für eine noch höhere Schlussrate (terminal rate) als die 4,6 Prozent, die in den Dots der Notenbanker im September signalisiert wurden.
Es erfordere viel Entschlossenheit und Geduld, die Inflation nach unten zu drücken, bekräftigte er. "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, und die seit unserer letzten Sitzung eingegangenen Daten deuten darauf hin, dass das endgültige Zinsniveau höher ausfallen wird als bisher erwartet", sagte er.
Marktseitig rechnet man derzeit damit, dass die Fed im März 2023 mit einer Fed Funds Rate zwischen 5,00 und 5,25 Prozent den Zinsgipfel erreichen wird.
Gleichzeitig machte Powell erneut deutlich, dass es irgendwann an der Zeit sein könnte, das Zinstempo zu drosseln. "Dieser Zeitpunkt wird kommen, und er könnte schon bei der nächsten oder übernächsten Sitzung kommen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen", sagte er.
Das spiegelte sich auch im geldpolitischen Begleittext des Offenmarktausschusses wieder. Dort hieß es: Bei der Festlegung künftiger Zinserhöhungen werde die Fed "die kumulative Straffung der Geldpolitik, die Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik auf die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen berücksichtigen".
Die Marktteilnehmer interpretierten diesen Passus als Signal für eine baldige Drosselung des Zinserhöhungstempos.
Sorgen bereitet den Notenbankern die nach wie vor robuste Lage auf dem US-Arbeitsmarkt, die eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen und damit zusätzlichen Inflationsdruck erzeugen könnte.
Die nächste Zinssitzung der Fed findet am 14. Dezember statt. Der Markt hält derzeit eine kleinere Zinserhöhung um 50 Basispunkte für wahrscheinlicher (56,8 Prozent) als eine weitere große um 75 Basispunkte (43,2 Prozent).
"Ich glaube nicht, dass es künftig weiter um Frontloading geht, vielmehr geht es darum, das richtige Maß an Restriktivität zu finden", hatte Fed-Mitglied Evans jüngst in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters gesagt und bezog sich dabei auf die Serie übergroßer Zinserhöhungen der US-Notenbank. Und weiter: "Das Tempo auf weniger als 75 Basispunkte zu verringern und dem Offenmarktausschuss etwas Zeit zu geben, mehr Daten zu sichten, bevor man sich zu weit von dem entfernt, was man letztlich erreichen will, halte ich für sinnvoll."