Veröffentlicht am 22.05.2018 16:07
Wirbel um Italiens Regierungschef in spe - Märkte nervös
- von Crispian Balmer
Rom (Reuters) - Das europakritische Bündnis in Italien sorgt mit seinem Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten schon vor Amtsantritt für Wirbel.
Die populistische 5-Sterne-Bewegung wies am Dienstag Medienberichte zurück, wonach der Juraprofessor Giuseppe Conte sich in seinem Lebenslauf mit falschen Lorbeeren schmückt. Darin hatte der in seinem Heimatland bislang weitgehend unbekannte Kandidat unter anderem die New York University als eine Auslandsstation in seinem akademischen Werdegang aufgeführt. An der Universität war er einem Bericht der "New York Times" jedoch weder als Student noch als Lehrbeauftragter jemals eingeschrieben. Laut den 5 Sternen hat Conte den Aufenthalt genutzt, um sein Englisch aufzufrischen.
Conte soll die Regierung aus 5 Sternen und der rechtsextremen Lega führen, allerdings stand die Zustimmung von Staatspräsident Sergio Mattarella noch aus. Neben Spekulationen über die Qualifikation des Kandidaten treibt auch die Sorge über einen Konfrontationskurs der künftigen Regierung mit Brüssel die Finanzmärkte um: Die zusehends nervösen Investoren verlangten von Italien zwischenzeitlich mit 2,418 Prozent die seit 14 Monaten höchste Rendite für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Erste Stimmen an den Märkten warnen bereits davor, die Papiere zu kaufen. Die Börse in Mailand indes tendierte kaum verändert.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, dringt auch vor diesem Hintergrund auf eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik in Rom. "Wir können nur dazu raten, bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf Kurs zu bleiben, das Wachstum mit Strukturreformen zu fördern und das Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu halten", sagte er dem "Handelsblatt". Die französische Europaministerin Nathalie Loiseau warnte die künftigen Regierungspartner in Rom vor Alleingängen: In Europa sei dies "weder möglich noch erstrebenswert", sagte sie im französischen Parlament.
5 Sterne und Lega haben in ihrem Regierungsprogramm vereinbart, die Konjunktur mit "begrenzten" schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben zu wollen. Sie fordern eine Überprüfung der EU-Haushaltspolitik der Gemeinschaft sowie des Euro-Stabilitätspakts. Den Bürgern versprechen sie ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat, Steuersenkungen, höhere Sozialausgaben und die Rücknahme der Rentenreform, mit der das Rentenalter heraufgesetzt werden sollte.
Conte ist ein auf politischer Bühne bislang weitgehend unbeschriebenes Blatt und lehrt als Professor an der Universität Florenz. Er steht der 5-Sterne-Bewegung nahe und hat im Wahlkampf für den Abbau der Bürokratie geworben. Präsident Mattarella muss ihm allerdings noch das Mandat zur Regierungsbildung erteilen. Am Dienstag wollte sich Mattarella dazu mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern beraten. Aus seinem Umfeld verlautete, er benötige Zeit zum Nachdenken. In italienischen Gazetten kursierten auch Berichte, Conte stehe dem Vatikan nahe und sei ein Verehrer des Kapuzinermönchs Pater Pio, der der Legende nach als Wunderheiler wirkte.
"MARIONETTE DER POPULISTEN"
Für Commerzbank-Volkswirt Cristoph Rieger ist es bezeichnend, dass mit Conte ausgerechnet ein bislang wenig profilierter Akteur Aushängeschild der Regierung werden soll: "Conte wirkt eher wie eine Marionette von 5 Sternen und Lega, die deren Agenda durchsetzen soll." Vor dem Hintergrund der politischen Unwägbarkeiten warnen Analysten vor Geldanlagen in italienische Staatsanleihen. "Die weitere Entwicklung in Italien ist mit so viel Unsicherheit belastet, dass wir zur Vorsicht raten", erklärte Anleiheexperte Martin Hasse von der Privatbank M.M. Warburg. Sollten die Populisten in Italien ihren Konfrontationskurs mit der Europäischen Union (EU) beibehalten, werde die Rendite auf italienische Staatspapiere voraussichtlich weiter steigen. Renditen von 2,5 Prozent für zehnjährige Anleihen seien möglich. Damit sind die Renditen aber immer noch weit entfernt von den Hochphasen der Euro-Krise Ende 2011, damals rentierten Italien-Bonds zeitweise bei 7,5 Prozent.
Trotz der jüngsten Turbulenzen um Italien rüttelt die Europäische Zentralbank (EZB) mehreren Händlern zufolge nicht am Umfang ihrer Käufe von Staatsanleihen der drittgrößten europäischen Volkswirtschaft. Marktteilnehmer wiesen damit Spekulationen zurück, die Euro-Wächter würden womöglich mit Blick auf die Regierungsbildung in Rom weniger italienische Schuldenpapiere erwerben als üblich. Sie würden auf diesem Weg womöglich den Politikern ein Warnsignal geben wollen. Der zuletzt starke Anstieg der Renditen italienischer Anleihen hatte diese Gerüchte am Markt genährt. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab. Die Zentralbank richtet sich bei ihren Käufen nach einem Schlüssel, der sich an der wirtschaftlichen Größe der einzelnen Länder orientiert.
Geschrieben von: Reuters
Der Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen birgt hohe Risiken. Sie können Ihren Kapitaleinsatz vollständig oder teilweise verlieren. Die Kurse von Kryptowährungen sind extrem volatil und können von externen Faktoren wie finanziellen, regulatorischen oder politischen Ereignissen beeinflusst werden. Der Handel auf Margin erhöht das finanzielle Risiko.
Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie die mit dem Handel der Finanzinstrumente und/oder Kryptowährungen verbundenen Risiken vollständig verstanden haben und lassen Sie sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten, bevor Sie den Handel aufnehmen.
Fusion Media möchte Sie daran erinnern, dass die auf dieser Internetseite enthaltenen Kurse/Daten nicht unbedingt in Realtime oder genau sind. Alle Daten und Kurse werden nicht notwendigerweise von Börsen, sondern von Market-Makern bereitgestellt, so dass die Kurse möglicherweise nicht genau sind und vom tatsächlichen Marktpreis abweichen können, was bedeutet, dass die Kurse indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sind. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für etwaige Handelsverluste, die Ihnen durch die Verwendung dieser Daten entstehen könnten.
Es ist verboten, die auf dieser Website enthaltenen Daten ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenanbieters zu verwenden, zu speichern, zu reproduzieren, anzuzeigen, zu ändern, zu übertragen oder zu verteilen. Alle Rechte am geistigen Eigentum sind den Anbietern und/oder der Börse vorbehalten, die auf dieser Website enthaltenen Daten bereitstellen.
Fusion Media kann von den Werbetreibenden, die sich auf der Website befinden, anhand Ihrer Interaktion mit den Werbeanzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.