Komiker tritt ins Rampenlicht ukrainischer Präsidentenwahl

Reuters

Veröffentlicht am 18.03.2019 08:12

Komiker tritt ins Rampenlicht ukrainischer Präsidentenwahl

- von Margaryta Chornokondratenko

Kiew (Reuters) - In einer der beliebtesten ukrainischen Fernsehserien spielt er den integren Präsidenten, der unbeirrt korrupten Politikern und zwielichtigen Geschäftsleuten die Stirn bietet.

Für den Schauspieler und Komiker Wolodymyr Selenskij könnte Fiktion bald Wirklichkeit werden. Der 41-Jährige kandidiert bei der Präsidentenwahl am 31. März und führt derzeit die Umfragen vor Amtsinhaber Petro Poroschenko und der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an.

Besonders die Ukrainer bis 35 trauen Quereinsteiger Selenskij zu, das von Krieg im Osten und wirtschaftlicher Misere geprägte Land wieder auf Kurs zu bringen und aus dem Sumpf der Korruption zu ziehen. Fünf Jahre nach den proeuropäischen Protesten auf dem Maidan hat der einstige Hoffnungsträger Poroschenko hingegen seinen Vertrauensvorschuss weitgehend verspielt und Reformen verschleppt.

Selenskij mimt in "Diener des Volkes" einen Geschichtslehrer, dessen heimlich gefilmte und mit Kraftausdrücken gespickte Tirade über die Zustände in der Ukraine und gegen die korrupte politische Klasse zu einem viralen Hit wird und ihn schließlich ins Präsidialamt befördert. Der Hauptdarsteller entspricht genau der Vorstellung vieler Zuschauer für ihren realen Präsidenten, den sie sich seit der Unabhängigkeit ihres Landes 1991 wünschen.

"NASE VOLL VON ALTER POLITIKER-KASTE"

Die Popularität Selenskijs passt gut in eine Zeit, in der die Wähler überall auf der Welt das politische Establishment kritisieren und Populisten auf dem Vormarsch sind. Die Kandidatur erinnert an den italienischen Komiker Beppe Grillo, der einst die mittlerweile regierende 5-Sterne-Bewegung in Italien gründete.

Der Politiker und Journalist Serhij Leschtschenko vergleicht Selenskij mit US-Präsident Donald Trump. "Sie sind beide TV-Stars, sie verkaufen den Menschen einen Traum (...) die Menschen haben die Nase voll von der alten Politiker-Kaste." Dazu zählen viele Ukrainer auch Timoschenko, das Gesicht der Orangen Revolution 2004/2005. Die 58-Jährige tummelt sich bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten in der ukrainischen Politik und bewarb sich bereits zweimal erfolglos um das Präsidentenamt.

SELENSKIJ ALS MARIONETTE VON OLIGARCHEN?

Kritiker bemängeln, Selenskij sei politisch unerfahren. Aber genau darin sieht er selbst sein Erfolgsrezept. "Ich bin ein frisches Gesicht. Ich habe nie etwas mit Politik zu tun gehabt", sagt er in einem Reuters-Interview auf die Frage, was ihn von den anderen Kandidaten unterscheidet.