Italien steht vor wirtschaftspolitischer Wende

Reuters

Veröffentlicht am 14.05.2018 09:28

Italien steht vor wirtschaftspolitischer Wende

- von Gavin Jones

Rom (Reuters) - Kaum einer hätte vor der italienischen Parlamentswahl geglaubt, dass die populistische 5-Sterne-Bewegung und die rechte Lega jemals zusammenfinden würden.

Zu groß erschienen die Unterschiede der beiden Parteien, die seit ein paar Tagen versuchen, ihre Programme in Einklang zu bringen.

Eine Gemeinsamkeit gibt es: Die Wahlversprechen kosten etliche Milliarden Euro und dürften sich kaum umsetzen lassen. Schon jetzt wird klar, dass die beiden ungleichen Partner auf Kollisionskurs mit der EU und den Euro-Partnern sind. "Wir müssen Vereinbarungen mit der EU neu verhandeln, damit Italien nicht länger die Luft abgeschnürt wird", sagte Lega-Chef Matteo Salvini am Samstag nach Verhandlungen mit seinem potenziellen Partner Luigi Di Maio von den 5 Sternen.

Selbst wenn sie sich nur auf einen Teil ihrer Versprechen einigen, wird die Rechnung üppig. So wird das von den 5 Sternen geforderte Grundeinkommen für Arme auf jährlich 17 Milliarden Euro taxiert. Würde eine Pauschalsteuer von 15 Prozent für Unternehmen und Bürger eingeführt, was die Lega fordert, könnten die Steuereinnahmen um 80 Milliarden Euro im Jahr sinken. Die Rückabwicklung der Rentenreform: 15 Milliarden. Der Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung: 12,5 Milliarden Euro.

"Wenn das umgesetzt wird, wäre es die größte Veränderung des italienischen Wirtschaftssystems in der jüngeren Geschichte", sagt Wolfgang Münchau, Chef des Informationsdienstes Eurointelligence. Manche Unterhändler der beiden Parteien glauben inzwischen, dass sich ein pragmatischer Ansatz durchsetzen wird. So könnten die Wahlversprechen nur teilweise und schrittweise umgesetzt werden. So könnten die Politiker vor ihren Anhängern argumentieren, dass sie in den Verhandlungen zu Kompromissen gezwungen gewesen seien.

Dennoch bleibt unklar, wie Italien seinen Verpflichtungen nachkommen will. Das Euro-Land wollte eigentlich das Staatsdefizit senken und die Verschuldung zurückfahren. Diese beträgt 130 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung. In der Euro-Zone ist nur Griechenland noch stärker verschuldet. Zudem gibt es immer mehr Anzeichen, dass der Konjunkturmotor ins Stottern gerät: Die Industrieproduktion stagnierte im ersten Quartal, und die Stimmung der Unternehmer war im April so getrübt wie seit über einem Jahr nicht mehr.