Nato erwägt nach Gift-Attacke neuen Umgang mit Russland

Reuters

Veröffentlicht am 18.03.2018 18:59

Nato erwägt nach Gift-Attacke neuen Umgang mit Russland

- von Andrew MacAskill

Moskau/London (Reuters) - Im diplomatischen Schlagabtausch um die Russland zugeschriebene Giftattacke auf den Doppelagenten Sergej Skripal verschärft sich der Ton.

Die Nato denkt nach Worten von Generalsekretär Jens Stoltenberg über einen anderen Umgang mit Russland nach. Der Anschlag im englischen Salisbury zeige, dass das Land immer unberechenbarer und aggressiver werde, sagte er der "Welt am Sonntag". Der britische Außenminister Boris Johnson warf Russland vor, heimlich Vorräte des Nervengifts aufgebaut zu haben, mit dem der russische Ex-Spion vergiftet worden sei. Das Außenministerium in Moskau reagierte auf die Ausweisung seiner Diplomaten und schickte 23 britische Vertreter nach Hause.

Premierministerin Theresa May kündigte an, in den kommenden Tagen mit ihren Verbündeten über das weitere Vorgehen zu beraten. Die USA, Deutschland und Frankreich hatten May in der Angelegenheit demonstrativ den Rücken gestärkt. Am Montag wollen auch die EU-Außenminister in Brüssel zusammenkommen.

Die Regierung in London macht Russland für den Anschlag auf Ex-Spion Skripal und dessen Tochter Anfang des Monats verantwortlich. Beide befinden sich in Lebensgefahr. Russland hat eine Verwicklung in die Gift-Affäre zurückgewiesen.

Die Nato habe Großbritannien ihre volle Solidarität und Unterstützung bei der Aufklärung des Anschlags zugesichert, sagte Stoltenberg weiter. Es werde zudem erforscht, wie man sich besser gegen chemische Angriffe schützen könne. "Man kann immer mehr tun und darüber müssen wir jetzt nachdenken." Mit Blick auf das russische Atomwaffenarsenal ergänzte Stoltenberg: "Wir sehen neuerdings, wie Russland Nuklearwaffen in die Militärdoktrin und in Militärübungen zusammenführt. Das reduziert die Schwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen seitens Moskaus. Wir werden darauf Antworten finden müssen."

Johnson warf Russland in einem BBC-Interview vor, in den vergangenen zehn Jahren untersucht zu haben, wie das auch beim Anschlag auf Skripal festgestellte Gift Nowitschok bei Attentaten eingesetzt werden könne. Der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow erklärte hingegen, das Gift könne aus einem britischen Forschungslabor stammen. Auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte im Fernsehsender Rossija 24, das Gift komme sehr wahrscheinlich aus Großbritannien selbst oder aus Tschechien, der Slowakei, Schweden oder den USA. Schweden und Tschechien wiesen die Darstellung umgehend zurück.

EINE WOCHE ZEIT, RUSSLAND ZU VERLASSEN

Russland kündigte weiter an, dass auch das Kulturinstitut British Council geschlossen werde. Die von der Ausweisung betroffenen Diplomaten hätten eine Woche Zeit, Russland zu verlassen. Begründet wurden die Schritte mit "provokativen Handlungen und grundlosen Beschuldigungen" Großbritanniens.

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May konterte, Großbritannien werde es niemals akzeptieren, dass das Leben seiner Staatsbürger bedroht werde. Am Freitag bezeichnete Johnson es als "äußerst wahrscheinlich", dass der russische Präsident Wladimir Putin persönlich die Entscheidung über den Giftanschlag getroffen habe. Putin kandidiert bei der Präsidentenwahl am Sonntag für eine vierte Amtszeit. Umfragen zufolge dürfte er mit klarer Mehrheit wiedergewählt werden.