FEATURE-Liberale Charmetour - Merkel und Gabriel umwerben FDP

Reuters

Veröffentlicht am 28.03.2017 17:37

FEATURE-Liberale Charmetour - Merkel und Gabriel umwerben FDP

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Es gibt Tage im Berliner Politikbetrieb, an denen die Terminplanung der Parteien für kuriose und entlarvende Momente sorgt.

Am Dienstag etwa steht Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gutgelaunt im Europafoyer des Auswärtigen Amtes und tauft den Raum vor den versammelten männlichen FDP-Granden in "Hans-Dietrich-Genscher-Forum" um. Und nur knapp zwei Stunden später nimmt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel die Zeit, um ein Buch der früheren liberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorzustellen. Die neue Aufmerksamkeit für die lange Zeit belächelte und nicht mehr im Bundestag vertretene FDP kommt nicht ohne Grund: Bei den kommenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl könnten die Liberalen wieder Königsmacher für Regierungschefs von CDU und SPD werden.

"Wir sehen uns nicht als der automatische und natürliche Koalitionspartner von irgendjemandem", warnte FDP-Chef Christian Lindner jedenfalls vorsorglich am Montag. Die FDP will umworben werden, weil sie weiß, dass sie trotz der Wahlschlappe im Saarland wieder als attraktiv angesehen wird. Immerhin liegen die Liberalen in Umfragen auf Bundesebene konstant über der Fünf-Prozent-Hürde. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kratzt die FDP gar an der Zehn-Prozent-Marke. Offensichtlich ist es auch dieser Umstand, der Merkel und Gabriel am Dienstag in die Charmeoffensive treibt.

WENN SICH FRAUEN GEGENSEITIG LOBEN

Dass die CDU-Chefin launig Leutheusser-Schnarrenbergers Buch "Haltung ist Stärke" im Haus der Familienunternehmer vorstellt, ist dabei weniger überraschend. Beide Frauen waren Anfang der 90er Jahre Jungministerinnen im Kabinett Kohl und haben sich als Leidens- und Lerngenossinnen schätzen gelernt. Außerdem hat Merkel ihre eigene Partei selbst nach der holprigen schwarz-gelben Koalition 2009 bis 2013 ermahnt, dass die FDP immer noch Koalitionspartner Nummer eins für die Union sei. "CDU, CSU und FDP haben in der gemeinsamen Koalition viel bewegt", betont Merkel deshalb.

Und die Vorstellung des Buches wird der Kanzlerin schon deshalb leicht gefallen sein, weil sie selbst dort als "Politikerin mit Mut und Weitsicht" gepriesen wird. Auf dem Podium sitzen zwei Frauen, die sich sichtlich schätzen und gegenseitig "Haltung" attestieren. "Ich bin überzeugt, dass starke liberale Positionen einen Platz in unserem öffentlichen Diskurs haben müssen", bedankt sich Merkel deshalb, lässt aber keinen Zweifel, dass sie zwar die konsequente Haltung ihrer früheren Justizministerin teilt, aber keinesfalls deren Position etwa bei der Vorratsdatenspeicherung.

GABRIEL ENTDECKT SEIN LIBERALES HERZ