Reuters
Veröffentlicht am 29.07.2019 17:30
London (Reuters) - Angesichts der Aussicht auf einen harten Brexit verschärft Großbritannien den Ton gegenüber der EU und wirbt zugleich für ein künftiges Freihandelsabkommen mit den USA.
Die neue Ministerin für internationalen Handel räumt einem solchen Abkommen mit Washington oberste Priorität ein. Sie wolle dabei auf das "erfolgreiche" Telefonat zwischen Präsident Donald Trump und Premierminister Boris Johnson aufbauen, schrieb Liz Truss in der Zeitung "The Telegraph" https://www.telegraph.co.uk/news/2019/07/28/nhs-will-not-put-sale-liz-truss-warn-us. Der neue Außenminister Dominic Raab warf Brüssel am Montag vor, sich "halsstarrig" zu verhalten, da die EU den mit der Vorgängerregierung ausgehandelten Austrittsvertrag nicht mehr aufschnüren wolle. Auch wenn die neue Regierung weiter auf ein geändertes Abkommen setze, schalte sie nun "den Turbo" bei den Vorbereitungen auf einen ungeregelten EU-Austritt ein. Brexit-Verfechter Johnson betonte, es werde alles getan, um die Frage intakter Lieferketten anzugehen, insbesondere in der Automobilindustrie. Er bekräftigte, den Brexit mit Fristablauf Ende Oktober durchzuziehen, mit oder ohne Vertrag.
Ein ungeregelter EU-Ausstieg, der Handelsströme und Lieferketten zu unterbrechen droht, wird als Konjunkturkiller gefürchtet. Er dürfte die Wirtschaft nach Ansicht der britischen Notenbank letztlich in die Rezession stürzen.
Das britische Pfund fiel nach den harschen Tönen Raabs zwischenzeitlich um 0,4 Prozent auf 1,2325 DollarGBP=D3 - das niedrigste Niveau seit März 2017. "Der Markt ist nun zusehends in Sorge über die Möglichkeit eines harten Brexit", sagte Analystin Esther Maria Reichelt von der Commerzbank (DE:CBKG).
Die britische Industrie befürchtet bei einem ungeregelten Ausstieg Nachteile und wirft der Europäischen Union Versäumnisse vor. Mit der Ausnahme Irlands hinke die EU "um einiges" Großbritannien bei den Vorbereitungen auf einen No-Deal-Brexit hinterher, erklärte die Confederation of British Industry (CIB). Dies schaffe ein Ungleichgewicht: Die Waren und Dienstleistungen der EU-Staaten erhielten einen leichteren Zugang zu Großbritannien als die britischer Firmen zur EU. "Aus Unternehmenssicht ist Großbritannien zwar verantwortungsvoller vorgegangen", hieß es. Damit sei das Land aber in eine schwächere Verhandlungsposition geraten.
London streckt unterdessen die Fühler aus, um mit den USA nach dem Brexit ein umfangreiches Handelsabkommen zu schließen. Trump erklärte am Freitag nach dem Telefonat mit Johnson, ein derartiger Vertrag sei in Arbeit.[nL8N24R77B] Die britische Regierung teilte ihrerseits mit, die Verhandlungen würden so bald wie möglich nach dem Austritt aus der EU beginnen.
Trump hatte jüngst bei einem Besuch in Großbritannien für einen Aufschrei gesorgt als er erklärte, bei einem Handelsvertrag müsse alles auf den Tisch - auch das britische Gesundheitssystem NHS. Später zog er dies zurück.[nL8N23B6JJ] Ministerin Truss schloss die Einbeziehung des NHS in die Verhandlungen aus. Sie soll der Zeitung zufolge in den kommenden Tagen den US-Botschafter Woody Johnson treffen, bevor sie in einigen Wochen zu Gesprächen mit Handelsminister Wilbur Ross und dem Handelsbeauftragten Robert Lighthizer nach Washington reist.
Geschrieben von: Reuters
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