Alles nur Theaterdonner - Endspiel zum Brexit ab 3. Oktober

Reuters

Veröffentlicht am 20.09.2018 10:21

Alles nur Theaterdonner - Endspiel zum Brexit ab 3. Oktober

- von Andreas Rinke

Salzburg (Reuters) - Wenn am Abend in Salzburg beim informellen EU-Gipfel das Dessert gereicht wird, darf Theresa May endlich sprechen.

Dann kann die britische Premierministerin ihre 27 EU-Kollegen informieren, wie sie den Stand der Brexit-Verhandlungen beurteilt. Eine Diskussion ist allerdings nicht vorgesehen. Stattdessen werden die EU-27 erst am Donnerstag - ohne May - mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier das weitere Vorgehen beraten. Immerhin gibt es Pläne, sie noch in Salzburg über die Gespräche zu informieren. Das alles klingt wie eine bewusste Demütigung Mays, ist tatsächlich aber in ihrem eigenen Interesse.

Denn bis zum 3. Oktober, dem Ende des Parteitages der Konservativen in Großbritannien, findet zwar ein Feuerwerk an aufgeregten Diskussionen über den Brexit statt. "Aber das ist alles nur Theaterdonner und reine britische Innenpolitik", sagt ein EU-Diplomat. Der Grund: May führt einen politischen Überlebenskampf gegen den nationalistischen Flügel ihrer Partei, die einen "harten" Brexit will, also möglichst kompromisslose Verhandlungen mit Brüssel und künftige Distanz zur EU.

Auf der anderen Seite wächst das Unwohlsein bei den Europa-Freunden bei den Tories und anderen Parteien, dass das Land auf Chaos zusteuern könnte, wenn bis Ende März kein Austrittsabkommen mit der EU abgeschlossen werden kann. Zugeständnisse kann May vor dem Parteitag nicht machen. Und jedes EU-Angebot droht in der hitzigen innnepolitischen britischen Debatte verbrannt zu werden. Das hindert May aber nicht daran, von der EU - auch mit Blick auf ihre britischen Kritiker - öffentlich mehr Bewegung zu fordern.

Die Lautstärke der Brexit-Debatte täuscht also: Der Weg und die Szenarien sind längst vorgezeichnet - sogar weitgehend einvernehmlich zumindest mit der britischen Premierministerin. Die Etappen-Abfolge dürfte auch von den EU-27 in Salzburg bestätigt werden.

1. AUSTRITT BIS MITTE OKTOBER

Nach dem 3. Oktober beginnt zwischen der EU und Großbritannien der eigentliche Endspurt bei den Verhandlungen über das Austrittsabkommen. Derzeit gelten mehr als 80 Prozent als ausverhandelt. Einst strittige Punkte wie die britischen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der EU oder die Rechte der Millionen EU-Bürger auf der Insel gelten als geklärt. Es hakt vor allem noch an der Frage, wie man eine harte Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland verhindert. May kann vor dem Tory-Parteitag hier keinerlei Kompromisse eingehen, wird sie aus Sicht der EU aber danach sehr wohl machen müssen.

Alle bisherigen Vorschläge aus London gelten jedenfalls als nicht akzeptabel. Unklar ist bisher auch, in welchen Umfang die britische Regierung in der Übergangszeit bis Ende 2020 die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof akzeptieren wird. Denn in dieser Zeit gehört Großbritannien noch zum Binnenmarkt. Ziel ist es, dass beim EU-Gipfel Mitte Oktober eine Vereinbarung geschlossen wird - die eigentliche Verhandlungszeit liegt also zwischen dem 3. und 18. Oktober, dem Tag des EU-Gipfels.

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2. ERKLÄRUNG ÜBER DAS ZUKÜNFTIGE VERHÄLTNIS

Wahrscheinlich wird es im November einen EU-Sondergipfel zum Brexit geben, weil das Oktobertreffen bereits von den Beratungen über den Austrittsvertrag dominiert werden dürfte. Derzeit wird überlegt, wie ausführlich und präzise die Beschreibung des künftigen Verhältnisses zwischen dem Königreich und der EU eigentlich sein sollte. Die britischen Wünsche haben sich hier verändert: Anfang des Jahres bestand London noch auf einem sehr ausführlichen Papier. Dies hat sich geändert. Auch die Kommission und die Bundesregierung verweisen seit längerem darauf, dass es um eine politische Erklärung und eben nicht um einen Vertrag geht - der wird erst nach dem Brexit bis Ende 2020 ausgehandelt. Also sind keine 500 Seiten nötig, sondern eine Beschreibung, wie eng sich Großbritannien künftig an die EU binden will.

Entscheidend ist aus britischer Sicht, dass eine spürbare Grenze zwischen Nordirland und dem Rest Großbritannien auf jeden Fall vermieden werden muss. Bereits im Dezember 2017 hatte London aber bereits einem "backstop" zugestimmt. Dieser sieht vor, dass Nordirland faktisch in einer Zollunion mit der EU bleiben würde, sollte es kein Abkommen mit der EU geben. May will eine Formulierung, dass dieser "backstop" aber niemals eintreten wird. Die EU kann London umso weiter entgegenkommen, je näher sich Großbritannien künftig an die EU anlehnen wird, etwa durch eine erweiterte Zollunion.