Ölpreis-Verfall alarmiert EZB - Autofahrer profitieren

dpa-AFX

Veröffentlicht am 21.12.2014 15:14

Ölpreis-Verfall alarmiert EZB - Autofahrer profitieren

BERLIN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Während die Tankrechnung vieler Autofahrer sinkt und sinkt, alarmiert der Verfall der Ölpreise die Europäische Zentralbank (EZB). Der Vizechef der Notenbank, Vítor Constâncio, warnt vor einem möglichen Abrutschen der Preise auf breiter Front. "Wir rechnen nun mit einer negativen Inflationsrate in den kommenden Monaten", sagte der Ökonom in einem Interview der "Wirtschaftswoche".

Sollte Rohöl länger so billig bleiben wie zuletzt, drohe "ein gefährlicher Teufelskreis aus sinkenden Preisen, steigenden realen Lohnkosten, sinkenden Gewinnen, schrumpfender Nachfrage und weiter sinkenden Preisen". Die bisherige Inflationsschätzung der EZB für das nächste Jahr von 0,7 Prozent sei inzwischen nicht mehr zu halten.

Seit dem Sommer sind die Rohölpreise um bis zu 50 Prozent abgesackt. Experten der Deutschen Bank erwarten, dass der Preis der Sorte Brent 2015 im Schnitt um 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen wird.

Vor allem Autofahrer profitieren von dieser Entwicklung. Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands (MVV (XETRA:MVVGn)) sparten sie in Deutschland im ablaufenden Jahr gegenüber 2013 insgesamt rund fünf Milliarden Euro beim Tanken ein, berichtete die "Bild am Sonntag".

Was auch Heizöl-Kunden freut, kann aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bedrohlich werden. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte ein durchweg sinkendes Preisniveau Anfang der Woche nicht ausgeschlossen. Dies kann Konsum und Investitionen im schlimmsten Fall abwürgen.

Eine tatsächliche Deflation gebe es bei einigen Monaten negativer Teuerung noch nicht, sagte Weidmann. Diese liege erst vor, wenn es zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale aus Negativ-Inflation, Rückgängen der Wirtschaftsleistung und Lohnsenkungen komme. "Dieses Risiko ist weiterhin gering", meinte der Bundesbank-Chef.

Constâncio sieht ebenfalls keine unmittelbare Gefahr: "Deflationäre Tendenzen beginnen, wenn Unternehmen und Menschen Investitionen und Ausgaben verschieben." Zumindest in Deutschland sind die äußerst konsumfreudigen Verbraucher derzeit eine wichtige Konjunkturstütze.

Andere Eurostaaten kämen zudem zusehends aus der Krise, ergänzte der EZB-Vizechef. "In Ländern wie Spanien oder Irland, deren Wirtschaft sich langsam erholt, steigt die Produktivität. Das schafft Spielraum für Lohnerhöhungen, die der Deflationsgefahr entgegenwirken."

Uneinigkeit gibt es aber über zusätzliche Maßnahmen der Geldpolitik. EZB-Präsident Mario Draghi hatte im Kampf gegen die Mini-Inflation in der Eurozone weitere Aktionen in Aussicht gestellt - erwartet wird ein breit angelegtes Kaufprogramm für Firmen- oder Staatsanleihen.

Während Weidmann dabei vor einer "Umverteilung von Risiken zwischen den Steuerzahlern der Mitgliedsländer" warnt, bekräftigte Constâncio: "Wir müssen alle geldpolitischen Instrumente nutzen." Aktuell versucht die EZB, Banken über den Kauf von Pfandbriefen und Kreditpaketen zu entlasten und so die Kreditvergabe anzukurbeln.

Jetzt die App holen
Werden Sie Teil der größten Finanz-Community der Welt
Downloaden

Die Spitze der Deutschen Bank blickt mit gemischten Gefühlen auf die erwarteten Anleihenkäufe. "Ich sehe ein solches Programm für Europa eher skeptisch", sagte Co-Chef Anshu Jain der "Welt am Sonntag". Auch sein Vorstandskollege Jürgen Fitschen zweifelt: "Die Zentralbank kann nicht allein für Wachstum und Arbeitsplätze in Europa sorgen."

Etliche Ökonomen kritisieren, dass sich die EZB durch Anleihenkäufe de facto an der Staatsfinanzierung beteiligt. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sieht die Notenbank dabei auch auf Konfrontationskurs zum EU-Recht: Eine "Monetisierung" staatlicher Schulden sei vertraglich verboten, sagte er der "Wirtschaftswoche".

Sein Frankfurter Kollege Volker Wieland meinte, die EZB müsse trotz niedriger Teuerung nicht noch mehr Geld in die Märkte pumpen: "Es ist nicht notwendig, auch noch mit breit angelegten Staatsanleihekäufen auf den Ölpreisverfall zu reagieren." Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, sieht dies anders: Die Preisentwicklung komme auch ohne den Öl-Trend "gefährlich nah an die Deflation heran".

Der Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen birgt hohe Risiken. Sie können Ihren Kapitaleinsatz vollständig oder teilweise verlieren. Die Kurse von Kryptowährungen sind extrem volatil und können von externen Faktoren wie finanziellen, regulatorischen oder politischen Ereignissen beeinflusst werden. Der Handel auf Margin erhöht das finanzielle Risiko.
Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie die mit dem Handel der Finanzinstrumente und/oder Kryptowährungen verbundenen Risiken vollständig verstanden haben und lassen Sie sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten, bevor Sie den Handel aufnehmen.
Fusion Media möchte Sie daran erinnern, dass die auf dieser Internetseite enthaltenen Kurse/Daten nicht unbedingt in Realtime oder genau sind. Alle Daten und Kurse werden nicht notwendigerweise von Börsen, sondern von Market-Makern bereitgestellt, so dass die Kurse möglicherweise nicht genau sind und vom tatsächlichen Marktpreis abweichen können, was bedeutet, dass die Kurse indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sind. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für etwaige Handelsverluste, die Ihnen durch die Verwendung dieser Daten entstehen könnten.
Es ist verboten, die auf dieser Website enthaltenen Daten ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenanbieters zu verwenden, zu speichern, zu reproduzieren, anzuzeigen, zu ändern, zu übertragen oder zu verteilen. Alle Rechte am geistigen Eigentum sind den Anbietern und/oder der Börse vorbehalten, die auf dieser Website enthaltenen Daten bereitstellen.
Fusion Media kann von den Werbetreibenden, die sich auf der Website befinden, anhand Ihrer Interaktion mit den Werbeanzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.

Abmelden
Sind Sie sicher, dass Sie sich abmelden möchten?
NeinJa
AbbrechenJa
Veränderung wird gespeichert