Reuters
Veröffentlicht am 21.03.2018 12:33
Ökonomen sehen Deutschland in Hochkonjunktur - "Mehr Risiken"
Berlin (Reuters) - Trotz erheblicher Risiken wie einem drohenden Handelskrieg mit den USA schauen Ökonomen optimistischer auf die deutsche Konjunktur.
Dank florierender Exporte hoben die Wirtschaftsweisen ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in diesem Jahr von 2,2 auf 2,3 Prozent an. Es wäre das größte Plus seit 2011. "Nach dem kräftigen Wachstum der vergangenen Jahre befindet sich die deutsche Wirtschaft somit in einer Hochkonjunkturphase", betonten die Professoren am Mittwoch. Auch das Essener RWI und das Kieler IfW setzten ihre Vorhersagen auf ein ähnliches Niveau herauf, während das Münchner Ifo-Institut mit 2,6 Prozent am optimistischsten bleibt. 2019 erwarten alle führenden Experten das zehnte Wachstumsjahr in Folge, wobei die Prognosen von 1,8 bis 2,3 Prozent reichen.
"Die positiven Wachstumsaussichten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung zuletzt zugenommen haben", warnt zugleich der Sachverständigenrat um seinen Vorsitzenden Christoph Schmidt, der die Regierung berät. Neben dem Wahlergebnis in Italien und dem unsicheren Ausgang der Brexit-Verhandlungen trügen hierzu insbesondere die angekündigten US-Schutzzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe bei. "Für die Fortsetzung des globalen Aufschwungs ist ein reibungslos funktionierender Welthandel von zentraler Bedeutung", so die fünf Weisen. "Eine Spirale aus protektionistischen Maßnahmen hätte deutliche negative Auswirkungen auf die globale und die deutsche Wirtschaft."
Das Ifo-Institut schätzt das ähnlich ein. "Auf der Negativseite schlägt die Debatte über die Einführung beziehungsweise Anhebung von Zöllen im transatlantischen Handel und die Aufwertung des Euro auf die Stimmung der Unternehmer hierzulande", betonte Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Gleichzeitig enttäuscht der Koalitionsvertrag bei der Reform des Steuer- und Abgabensystems." Er bleibe eine Antwort schuldig auf die deutliche Absenkung der Unternehmenssteuern in den USA, aber auch in Frankreich und in Großbritannien. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht die Endphase eines lang gezogenen Aufschwungs näher rücken. Dieser dürfte im kommenden Jahr aber noch einmal durch staatliche Maßnahmen wie der Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung, der Mütterrente II, dem Baukindergeld sowie diverser Investitions- und Förderprogramme in den Bereichen Infrastruktur, Bildung oder Arbeitsmarkt befeuert werden.
"ANZEICHEN EINER ÜBERHITZUNG"
Durch den jahrelangen Boom stoße die Binnenkonjunktur allmählich an ihre Grenzen, betonten die Wirtschaftsweisen. "Die Knappheit an Arbeitskräften dürfte die Wachstumsdynamik zunehmend bremsen." Dies schätzt das IfW ähnlich ein. "Die Frage ist derzeit weniger, wo sieht man Anzeichen einer Überhitzung in der Wirtschaft, sondern eher, wo sieht man noch keine", sagte der Leiter des dortigen Prognosezentrums, Stefan Kooths. Insbesondere der Bausektor leide unter Kapazitätsengpässen. Andere Bereiche würden ebenfalls durch Knappheiten, vor allem am Arbeitsmarkt, ausgebremst.
Die Zahl der Beschäftigten dürfte den Wirtschaftsweisen zufolge bis 2019 um rund 1,1 Millionen steigen, die der Arbeitslosen um etwa eine Viertelmillion auf 2,275 Millionen abnehmen. Wegen steigender Steuer- und Beitragseinnahmen rechnen die Professoren mit milliardenschweren Überschüssen im Staatshaushalt. Der Schuldenberg dürfte dadurch im kommenden Jahr erstmals wieder die in den EU-Verträgen vorgesehene Höchstgrenze von 60 Prozent des BIP unterschreiten.
Der von den USA, aber auch den Partnern in Europa kritisierte enorme deutsche Überschuss in der Leistungsbilanz wird sich dem Ifo-Institut zufolge weiter erhöhen. Sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr dürfte er wegen der Exportstärke bei 8,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen, nach 8,0 Prozent 2017. Die EU-Kommission hält Werte ab sechs Prozent für problematisch. "Massive Einkommensteuersenkungen in den USA und ein starker Aufschwung im Euro-Raum beflügeln die Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen", betonte das Ifo-Institut.
Geschrieben von: Reuters
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