Wirecard-Aktie nach dem Crash: Ist das jetzt ein Kauf?

Investing.com  |  Autor 

Veröffentlicht am 11.02.2019 09:46

  • Nach vier diffamierenden Berichten der Financial Times und 9 Milliarden Euro weniger an Marktkapitalisierung ist die Wirecard-Aktie in der Krise angekommen.
  • Einiges spricht für ein rasches Comeback der Wirecard-Aktie, aber auch einiges dagegen.
  • Alle Augen sind auf den Abschlussbericht der Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann zu Compliance-Verstößen in Singapur gerichtet, der in einigen Wochen vorgelegt werden soll.

Investing.com - Die Wirecard-Aktie (DE:WDIG) ist in der Krise angekommen. Der Grund: die Financial Times berichtet seit Ende Januar regelmäßig über finanzielle Unregelmäßigkeiten beim deutschen Zahlungsdienstleister. Wirecard weist die Vorwürfe jedoch immer zu entschieden zurück.

Am Freitag hieß es dann, dass die Polizei in Singapur die dortigen Geschäftsräume des Bezahlabwicklers durchsucht hat. Die Financial Times machte daraus eine hochdramatische, opulente Razzia, während Wirecard mitteilte , es arbeite mit der Polizei in Singapur zusammen, um die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen. Demnach sei der Zahlungsdienstleister bereits am Donnerstag auf die Behörden im asiatischen Stadtstaat zugegangen. "Nach einer solchen negativen Medienberichterstattung ist die Einleitung einer Untersuchung ein normales Verfahren", hieß es auf der Seite von Wirecard. Unterschiedlicher hätten die beiden Versionen nicht sein können.

Wirecard bestätigte, dass die Vorwürfe über finanzielle Unregelmäßigkeiten und gegen Mitarbeiter von Wirecard unbegründet sind. Trotzdem scheinen die Anleger mehr und mehr das Vertrauen in den deutschen Zahlungsdienstleister zu verlieren.

Seit Bekanntwerden der ersten Vorwürfe der Financial Times gegen Wirecard, am 30. Januar 2019, verlor das Papier 39,68 Prozent, während der Wert des Bezahlabwicklers um 9 Milliarden Euro auf 9,72 Milliarden Euro gesunken ist. Damit ist der DAX-Aufsteiger wieder weniger wert als die Deutsche Bank (DE:DBKGn) und Commerzbank (DE:CBKG).

Auf das Jahr hochgerechnet handelt Wirecard (TG:WDIG) nun mit einem Kursabschlag von 1,90 Prozent. Auf Sicht von zehn Jahren kommt das Papier aber immer noch auf eine beeindruckende Performance von 1.296 Prozent.

Viele Anleger fragen sich nun, ob die Aktie ein Kauf oder ein Verkauf ist, und das auch zurecht. In den nächsten Zeilen wollen wir Ihnen zeigen, was dafür und was dagegen spricht.

h3 Das spricht für Wirecard/h3

Wirecard weist FT-Vorwürfe entschieden zurück: Das Zahlungsunternehmen weist seit dem ersten Bericht der Financial Times alle Vorwürfe entschieden zurück. Wirecard-Chef Braun berief sogar eine Telefonkonferenz am letzten Montag ein, in der er die ganze Geschichte als Non-Event abkanzelte. Es gehe mehr um einen Streit zwischen zwei Mitarbeitern, weniger um ein wirkliches Problem, das mit falscher Buchhaltung oder ähnliches zu tun hätte, sagte er. „Wir haben alles aufgearbeitet. Es gibt keinerlei Risiko. Wir mussten in der Buchhaltung keinerlei Korrekturen oder Anpassungen vornehmen“, betonte der Chef und Wirecard-Großaktionär zudem am letzten Sonntag dem Handelsblatt.

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Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann findet keine Belege für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten eines Wirecard-Mitarbeiters: die mit der Untersuchung beauftragte Kanzlei Rajah & Tann hat bisher keine schlüssige Feststellung für ein strafbares Fehlverhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern des Unternehmens gefunden. Die endgültigen Ergebnisse stehen zwar noch aus, sollen dann aber der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Wirecard rechnet damit, dass die externe Kanzlei ihren Bericht in wenigen Wochen vorlegen wird und versprach volle Transparenz.

Wirecard verklagt Financial Times: Wirecard reichte am Freitag Klage gegen die Financial Times ein, nachdem der Journalist des "FT-Alphaville"-Blogs und Shortseller, Dan McCrum, am Donnerstag erneut einen diffamierenden Artikel über finanzielle Unregelmäßigkeiten des deutschen Zahlungsdienstleisters in dessen Tochtergesellschaft in Singapur veröffentlicht hatte. Wirecard teilte daraufhin in einer Pressemitteilung mit, man werde alle verfügbaren rechtlichen Mittel einsetzen, um das Unternehmen und insbesondere unsere Mitarbeiter und deren Persönlichkeitsrechte zu schützen. Wirecard geht rechtlich gegen FT und seine unethische Berichterstattung vor.

Insiderkäufe durch Vorstandsmitglieder: Chief Operating Officer Alexander von Knoop kauften am 7. Februar Wirecard-Aktien im Gesamtvolumen von 211.665,85 Euro. Marsalek erwarb die Papiere zu einem Durchschnittspreis von 110 Euro, während von Knoop zu einem Preis von 111,66 Euro zuschlug.

Sobald der Vorstand Aktien des Unternehmens kauft, ist das in der Regel ein starker Indikator, dass sie mit steigenden Kursen rechnen. Das macht auch Sinn. Schließlich wissen die Vorstände am besten über das Innenleben ihres Unternehmens bescheid und können daher die Performance des Aktienkurses am besten einschätzen.

Wirecard-Chef Markus Braun kaufte laut der Statistik der Börsenaufsicht Bafin zuletzt am 21. November 2018 über die MB Beteiligungsgesellschaft mbH Wirecard-Aktien im Wert von 1,04 Millionen Euro. Der Durchschnittspreis lag damals bei 130,87 Euro. Im Februar 2018 kaufte er ein größeres Wirecard-Paket auf zwei Tranchen für insgesamt 4,58 Millionen Euro. Markus Braun ist selbst der größte Einzelaktionär bei Wirecard.

Analysten bleiben zuversichtlich: Kepler Cheuvreux, die DZ BANK, Warburg Research und die Credit Suisse (SIX:CSGN) Group bleiben zuversichtlich, was die Wirecard-Aktie angeht.

Credit Suisse-Analyst Charles Brennan beließ den Titel nach der Telefonkonferenz am letzten Montag, die ihn überzeugt hat, auf Outperform mit einem Kursziel von 200 Euro, die ihn überzeugt habe. Die Aktie sei eine der attraktivsten Investment-Gelegenheiten, schrieb er in einer Studie.

In die gleiche Kerbe schlug Warburg Research, wo Analyst Marius Fuhrberg sein Wirecard-Rating auf "Buy" mit einem Kursziel von 210 Euro belassen hat. Es gebe keinen Grund an den Aussagen und Einordnungen der Geschehnisse in Singapur von Seiten des Wirecards-Managements zu zweifeln, heißt es in seiner Studie.

DZ Bank-Analyst Harald Schnitzer sieht die Wirecard-Aktie auch weiterhin als Kauf mit einem Kursziel von 200 Euro. Die Vorwürfe zur Bilanzierung erwiesen sich bis dato als haltlos, so Schnitzer. Die Aktie werde aber stark schwankungsanfällig bleiben, schrieb er.

Für Kepler Cheuvreux sei die Lage zwar schwer zu beurteilen, aber Wirecard habe mit seiner detaillierten Stellungnahme am vergangenen Montag überzeugt, so Analyst Sebastien Sztabowicz am Freitag. Das Rating bleibt auf Buy mit einem Kursziel von 225 Euro.

McCrum hat schon öfters scharf gegen Wirecard geschossen: Heraus kam nichts als Schall und Rauch. Auch sagen Experten dem FT-Journalisten Kontakte zu Shortsellern nach, wobei ihm das Stand heute nicht nachgewiesen werden konnte. Interessanterweise kam am 1. Februar ein Artikel von Bloomberg heraus, wonach Hedgefonds-Manager Crispin Odey 18 Millionen Dollar mit Wetten gegen Wirecard gemacht haben soll.

Laut Bundesanzeiger hat der Hedgefonds Odey Asset Management LLP am 30.01., 01.02., 05.02., und am 06.02. Leerverkaufspositionen auf Wirecard eröffnet.

Viel spannender ist aber die Tatsache, dass der gleiche Hedgefonds-Manager 2014 bis 2017 große Verluste mit Wetten gegen Wirecard einfuhr.

Die Bewertung erscheint im Branchenvergleich günstig: Im Vergleich zu anderen Unternehmen wie Worldpay (NYSE:WP), PayPal (NASDAQ:PYPL), Mastercard (NYSE:MA) und Visa (NYSE:V) erscheint Wirecard (DE:WDIG) plötzlich wieder günstig. So liegt das KGVe 2019, also das geschätzte KGV, für alle o.g. Unternehmen bei durchschnittlich 25,416. Wirecard kommt auf 22,39.

Die PEG-Ratio, oder Price-Earning to Growth-Ratio, liegt im Schnitt bei den fünf Zahlungsdienstleistern bei 1,3638, Wirecard kommt auf 0,8205. In der Regel gibt die Kennzahl Auskunft darüber, ob eine Aktie über oder unterbewertet ist. Ein Wert größer als 1 besagt, die Aktie ist überbewertet, ein Wert unter 1 besagt, die Aktie ist unterbewertet. In diesem Fall ist Wirecard unterbewertet. Besonders aussagekräftig ist die PEG-Ratio in den schnellwachsenden Branchen, was der Markt für Zahlungsdienstleistungen ist.

h3 Das spricht gegen Wirecard/h3

Die Vorwürfe sind recht konkret: Die Vorwürfe gegen Wirecard sind sehr konkret. Selten hat McCrum so detailliert über den deutschen Zahlungsdienstleister berichtet und so viele Details über finanzielle Unregelmäßigkeiten preisgegeben. Auch setzt die Financial Times ihren guten Ruf aufs Spiel, sollten sich die Vorwürfe nicht bewahrheiten. Für die britische Finanzzeitung, die unter Analysten und anderen Experten als sehr gut informiertes Blatt gilt, entstünde ein ein extrem großer Imageschaden.

Die Behörden sind alarmiert: Da die Behörden nun alarmiert sind, besteht freilich auch die Chance darauf, dass etwas gefunden wird. Auch werden die Behörden Wirecard wohl nun stärker auf die Finger schauen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung korruptiver Handlungen oder ähnliches.

Die Unsicherheit bleibt hoch: Aktuell steht Aussage gegen Aussage. Wirecard-Chef Braun versprach volle Transparenz, sobald die Anwaltskanzlei ihre Ergebnisse präsentiert. Das soll in einigen Wochen der Fall sein. Bis dahin sollten sich Anleger auf eine weiter schwankungsintensive Zeit bei der Wirecard-Aktie einstellen. Vor allem weiß keiner, ob die Financial Times und McCrum nicht noch einen Artikel veröffentlichen.

Das Sentiment für Aktien ist schlecht: Aktuell ist die Stimmung am Aktienmarkt nicht gut. Gründe dafür sind die schwachen Konjunkturdaten aus Deutschland und dem Euroraum sowie die Sorge vor US-Autozölle auf EU-Importautos in Höhe von 25 Prozent. Am 17. Februar könnte das US-Handelsministerium Zölle auf EU-Importautos empfehlen. Dieses Datum sollten Sie sich rot im Kalender markieren! Trump dürfte dieser Empfehlung wahrscheinlich nachkommen, insbesondere da die EU aktuell wegen der konjunkturellen Verlangsamung sehr angeschlagen ist und womöglich deshalb bereit ist, Handelszugeständnisse zu machen. Aber auch die Handelsverhandlungen zwischen den USA und China stehen im Fokus des Marktes und drücken auf die Stimmung.

Die Charttechnik ist angeschlagen: Durch den jüngsten Ausverkauf hat die Wirecard-Aktie den seit Anfang Januar 2017 etablierten Aufwärtstrend unterschritten. Gleichzeitig wurde das 50% Fibonacci-Retracement bei 114,36 Euro preisgegeben sowie sämtliche wichtige Glättungslinien unterboten. Auch schmeißen die technischen Indikatoren auf Wochen- und Monatsbasis Verkaufssignale aus. Insofern bestünde durchaus noch Abwärtspotenzial bis auf die 200-Wochen-Linie bei 74,55 Euro, insbesondere vor dem Hintergrund des zuletzt sehr dynamischen Ausverkaufs. Übertreibungen an der Börse sind ja schließlich nichts ungewöhnliches.

Hoffnung machen würde dagegen ein Wiederanstieg über den o.g. Aufwärtstrend, der aktuell bei 131 Euro verläuft. Danach könnte es weiter auf 150 Euro gehen. Sehr viel höher sehe ich die Wirecard-Aktie aktuell nicht.

Wahrscheinlichstes Szenario, wenn man die o.g. Faktoren beachtet, also technische und fundamentale, ist in den nächsten Monaten (1 bis 2 Monaten) ein Range-Handel zwischen 100 bis 150 Euro. Ein Breakout aus den beiden Leitplanken ist möglich, sobald der Abschlussbericht der Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann veröffentlicht wird.

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von Robert Zach

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