Sanierungsexperte erwartet "Bugwelle" von Insolvenzen ab Herbst

Reuters

Veröffentlicht am 23.04.2020 13:53

München, 23. Apr (Reuters) - Die Coronakrise wird sich nach den Erwartungen von Sanierungsexperten mit Verzögerung in einer steigenden Zahl von Firmenpleiten niederschlagen. "Es wird eine deutliche Zunahme von Insolvenzen geben", sagte Insolvenzverwalter Lucas Flöther vor dem Münchner Club Wirtschaftspresse. "Diese Bugwelle baut sich gerade auf." Die Bundesregierung hatte die Pflicht, binnen drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anzumelden, bis Ende September ausgesetzt. Flöther, der derzeit unter anderem den Ferienflieger Condor als Sachwalter begleitet, warnte kriselnde Unternehmen aber, sich deshalb zurückzulehnen. "Das war nur eine Beruhigungspille."

Zurzeit gehe es nur um die Sicherung der Liquidität, sagte Jörn Kowalewski von der Anwaltskanzlei Latham & Watkins. "Wir springen bei allen Maßnahmen viel zu kurz." Die echten Probleme würden durch Staatskredite nicht gelöst, sagte der Anwalt, der unter anderem die Sanierung des Autozulieferers Leoni LEOGn.DE begleitet. Eine höhere Verschuldung verschärfe die Probleme eher noch. Flöther betonte, Unternehmen, die kaum eine Chance sähen, bis Herbst wieder liquide zu werden, kämen um einen Insolvenzantrag auch jetzt nicht herum. Deshalb sei nicht damit zu rechnen, dass die Welle erst im Oktober überschwappe.

Betroffen seien vor allem die Touristik- und Reisebranche sowie Fluggesellschaften, sagte Flöther. Dort gehe es gar nicht mehr darum, irgendwann den Zustand vor der Coronakrise wieder zu erreichen, sondern ums nackte Überleben. "Es wird sowieso nicht mehr so sein, dass man für 23 Euro nach Mallorca fliegt. Und für ein Zwei-Stunden-Meeting fliegt keiner mehr von Berlin nach Frankfurt." Aber auch Hotellerie, Gastronomie, Messebetreiber und Autozulieferer stünden im Fokus. Restrukturierungsexperte Ralf Moldenhauer von der Unternehmensberatung BCG sieht in der Krise zugleich die Chance, nötige Einschnitte anzugehen, die in den vergangenen zehn Jahren nicht möglich gewesen seien. Unter dem Eindruck der Krise seien Betriebsräte und Gewerkschaften zu Zugeständnissen eher bereit.

"STAATSKREDITE FÜR ANGESCHLAGENE FIRMEN GEFÄHRLICH"

Die Kredite und Garantien der Staatsbank KfW KFW.UL , mit denen der Staat Unternehmen helfen will, die Coronakrise zu überbrücken, hält Flöther für ohnehin angeschlagene Firmen für gefährlich. Sie drohten damit noch weiter in die Verschuldung hineinzugeraten. "Wenn ich einem Unternehmen mit der Gießkanne Geld gebe, dann verlängere ich nur das Sterben." Ein Manager, der wisse, dass er die Kredite nicht zurückzahlen könne, dürfe sie gar nicht erst annehmen. Sonst drohe einige Monate später das böse Erwachen.

Für solche Unternehmen sei ein Schutzschirmverfahren - als "mildeste Form der Insolvenz" - oft die bessere Lösung, warb der Insolvenzverwalter. Sie gebe den Unternehmen die Chance, sich mit einem Schuldenschnitt von Krediten zu befreien, aber auch Miet- und Arbeitsverhältnisse rasch zu lösen. "Es gibt einige Unternehmen im Einzelhandel, die genau das erkannt haben, an die Zeit nach Corona denken", sagte der Anwalt aus Halle. "Auf diese Ideen werden in den nächsten Wochen und Monaten noch ein paar andere kommen." Als einer der ersten Handelskonzerne hatte sich Galeria Karstadt Kaufhof unter einen Schutzschirm geflüchtet. Flöther bewertet diese "Insolvenz light" positiv: Sie habe seit der Einführung 2012 zu einer "Entstigmatisierung" geführt, die den Unternehmen einen echten Neuanfang ermögliche.

Jetzt die App holen
Werden Sie Teil der größten Finanz-Community der Welt
Downloaden

Der Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen birgt hohe Risiken. Sie können Ihren Kapitaleinsatz vollständig oder teilweise verlieren. Die Kurse von Kryptowährungen sind extrem volatil und können von externen Faktoren wie finanziellen, regulatorischen oder politischen Ereignissen beeinflusst werden. Der Handel auf Margin erhöht das finanzielle Risiko.
Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie die mit dem Handel der Finanzinstrumente und/oder Kryptowährungen verbundenen Risiken vollständig verstanden haben und lassen Sie sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten, bevor Sie den Handel aufnehmen.
Fusion Media möchte Sie daran erinnern, dass die auf dieser Internetseite enthaltenen Kurse/Daten nicht unbedingt in Realtime oder genau sind. Alle Daten und Kurse werden nicht notwendigerweise von Börsen, sondern von Market-Makern bereitgestellt, so dass die Kurse möglicherweise nicht genau sind und vom tatsächlichen Marktpreis abweichen können, was bedeutet, dass die Kurse indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sind. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für etwaige Handelsverluste, die Ihnen durch die Verwendung dieser Daten entstehen könnten.
Es ist verboten, die auf dieser Website enthaltenen Daten ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenanbieters zu verwenden, zu speichern, zu reproduzieren, anzuzeigen, zu ändern, zu übertragen oder zu verteilen. Alle Rechte am geistigen Eigentum sind den Anbietern und/oder der Börse vorbehalten, die auf dieser Website enthaltenen Daten bereitstellen.
Fusion Media kann von den Werbetreibenden, die sich auf der Website befinden, anhand Ihrer Interaktion mit den Werbeanzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.

Abmelden
Sind Sie sicher, dass Sie sich abmelden möchten?
NeinJa
AbbrechenJa
Veränderung wird gespeichert