Richter im VW-Musterprozess zweifelt Schadenersatzanspruch an

Reuters

Veröffentlicht am 12.10.2017 16:33

Richter im VW-Musterprozess zweifelt Schadenersatzanspruch an

Hannover (Reuters) - Im Anleger-Prozess um Milliardenforderungen wegen der geplatzten Übernahme von Volkswagen (DE:VOWG) durch Porsche (DE:PSHG_p) vor neun Jahren hat der Richter Zweifel an möglichen Schadensersatzansprüchen zu erkennen gegeben.

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle erklärte zu Beginn des Musterverfahrens am Donnerstag in Hannover, dass er nach vorläufiger Wertung der von den klagenden Hedgefonds und Privatanlegern vorgebrachten Argumente keine Anhaltspunkte für eine bewusste Irreführung der Anleger durch die VW-Mutter Porsche SE sehe. Daraus folge, dass womöglich "ein großer Teil der Feststellungsziele nicht begründet ist und abgewiesen" werden könne, sagte Richter Matthias Wiese. Zwei Klägeranwälte stellten daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, dem sie mangelnde Unabhängigkeit vorwerfen.

Anwalt Albert Adametz sagte, der Richter habe in seinen Ausführungen bezweifelt, dass Hedgefonds und Leerverkäufe schutzwürdig seien. "Das halten wir für ein die Sachlichkeit verletzendes Statement. Da stellt man sich ohne Not und ohne Überprüfung auf die Seite der Beklagten." Die für einen fairen Prozess nötige Waffengleichheit werde dadurch verletzt. Der auf Musterklagen spezialisierte Rechtsanwalt Andreas Tilp schloss sich dem Befangenheitsantrag an. Der Richter hob daraufhin den für Freitag angesetzten nächsten Prozesstermin auf, damit über das Ablehnungsgesuch entschieden werden kann.

Zuvor hatte sich bereits eine Eskalation abgezeichnet. Rechtsanwalt Tilp betonte in einer Verhandlungspause, dass es sich um eine vorläufige Auffassung des Gerichts handle, und gab sich kämpferisch. "Es wäre nicht das erste Mal, dass wir einen Senat in zentralen Punkten drehen würden." Er warf der Kammer zudem Mängel im Kapitalmarktrecht vor. "Ich bedaure es, dass hier ein Kartellsenat über kapitalmarktrechtliche Fragen entscheidet, der ersichtlich dazu - jedenfalls partiell - noch nicht in der Lage zu sein scheint." Sollten die Kläger unterliegen, würde sich dies als "Pyrrhussieg" für die Gegenseite erweisen. Denn spätestens nach einem Gang zum Bundesgerichtshof werde sich das OLG Celle erneut mit dem Fall befassen müssen. "Ich gehe allerdings davon aus, dass das ein anderer Senat sein wird", ergänzte Tilp. Die Porsche SE wollte sich nicht äußern.