Überlebenskünstlerin Merkel gibt die Anti-Trump

Reuters

Veröffentlicht am 21.07.2018 11:40

Aktualisiert 21.07.2018 11:50

Überlebenskünstlerin Merkel gibt die Anti-Trump

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Als Angela Merkel am Freitag den Saal der Bundespressekonferenz betritt, erwartet sie das gewohnte Bild: Schon 23 Mal wurde sie von hunderten Journalisten empfangen, die testen wollen, ob die Kanzlerin politisch angeschlagen ist und Schwächen zeigt.

Und nach dem heftigen Streit mit der CSU ist die Spannung diesmal besonders groß: Schließlich hatten politische Magazine noch vor wenigen Wochen die Endzeit von Merkels Kanzlerschaft eingeläutet. Und schließlich hat US-Präsident Donald Trump sie zu einer Art Lieblingsfeind erklärt.

Aber dann kommt alles anders: In betonter Ruhe versucht Merkel zu zeigen, dass alle Angriffe - egal ob aus Bayern, Washington oder von Journalisten - an ihr abprallen. Die 38 Fragen werden zu einem politischen Ping-Pong-Spiel, bei dem sie ihre Antworten betont ruhig zurückspielt. Fragen nach ihrer Erschöpfung oder Rücktrittsüberlegungen im Streit mit Innenminister Horst Seehofer wischt sie beiseite und setzt ihr Poker-Gesicht auf. Das führt dazu, dass Merkel sogar gefragt wird, ob sie dann vielleicht sogar darüber nachdenke, bei der Bundestagswahl 2021 noch ein fünftes Mal anzutreten - was sie allerdings nicht beantwortet.

Aber der eigentliche Kontrast entsteht zum US-Präsidenten, der ausgerechnet noch während der laufenden Pressekonferenz ankündigt, dass er an US-Strafzölle für chinesische Güter im Wert von 500 Milliarden Dollar denke. Damit ist das Rollenbild klar: Dort der Eskalationen liebende Spieler, hier die betont rationale, ruhige Kanzlerin, die lieber an "Win-Win"-Situationen denkt, wie sie immer wieder betont.

"ZU TUN IST JEDENFALLS GENUG"

Nein, die Wortwahl "Feind" mache sie sich nicht zu eigen, antwortet Merkel auf die Frage nach Trumps Beschimpfungen in Richtung EU. Dafür betont sie lieber, dass trotz des Streits die transatlantischen Beziehungen so wichtig seien, dass es sich eben lohne, mit Washington über Lösungen zu streiten. Je souveräner die Kanzlerin sich gibt, umso absurder wirkt Trumps Bemerkung, dass Merkel massiv geschwächt sei - deren persönliche Umfragewerte auch nach 13 Jahren Amtszeit immer noch hoch sind.

"Seht her, hier sitze ich in aller Gelassenheit und Machtfülle", strahlt die 64-Jährige 90 Minuten lang aus. Sie kokettiert mit ihrer Arbeit und erwähnt nur, dass sie sich im Urlaub darauf freue, etwas länger zu schlafen. "Zu tun ist jedenfalls genug." Auch dieses Understatement der seit Monaten unter Hochdruck arbeitenden Kanzlerin ist das Gegenteil zum großspurigen, golfspielenden "stabilen Genie" im Weißen Haus, den sie kein einziges Mal namentlich erwähnt.

Bei Trumps Amtsantritt hatte sich Merkel noch dagegen gewehrt, dass sie in US-Medien als letzte Anführerin der liberalen, freien Welt gepriesen wurde. Aber je stärker Trump die Axt an die internationale Ordnung anlegt, desto mehr wirkt Merkels betont unaufgeregte Art wie der Gegenentwurf - zumal sie auch noch vor einer "Verrohung" der politischen Sprache warnt. Das zielt zwar vor allem auf die Angriffe der CSU in der Flüchtlingskrise. Aber wohl jeder im Raum denkt automatisch auch an den US-Präsidenten.

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