Widersprüchliche Signale vor Erdogan-Besuch

Reuters

Veröffentlicht am 21.09.2018 14:58

Widersprüchliche Signale vor Erdogan-Besuch

Berlin (Reuters) - Eine Woche vor dem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kommen aus der Bundesregierung widersprüchliche Signale im Hinblick auf eine Wiederannährung beider Länder.

Außenminister Heiko Maas und Wirtschaftsminister Peter Altmaier betonten kurz vor einem deutsch-türkischen Ministertreffen am Freitag zur Vorbereitung des Besuches das Interesse Deutschlands an einer stabilen und demokratischen Türkei. Allerdings dämpfte Maas Hoffnungen auf deutsche Wirtschaftshilfen zur Linderung der akuten türkischen Wirtschaftsprobleme, die durch eine hohe Inflation und einen massiven Wertverfall der nationalen Währung gekennzeichnet sind. Medienberichte, nach denen der Verfassungsschutz den Moscheenverband Ditib stärker ins Visier nehmen könnte, bestätigte das deutsche Innenministerium nicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird Erdogan in der kommenden Woche in Berlin zwei Mal treffen: am Freitag und am Samstagmorgen. Dabei soll nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert eine breite Palette von Themen angesprochen werden, auch strittige. Zu dem Besuch sind umfangreiche Proteste und Demonstrationen angekündigt.

Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Monaten angespannt, vor allem wegen Erdogans Vorgehen gegen Kritiker aus dem In- und Ausland nach dem Putschversuch vor zwei Jahren. Inhaftiert waren und sind auch Männer und Frauen mit deutschen Pass, darunter sogenannte Doppelstaatler, die über die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit verfügen. Am spektakulärsten war der Fall des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel, der Mitte Februar nach einem Jahr türkischer Untersuchungshaft ausreisen konnte. Yücel war Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen worden.

WIEDER EIN INHAFTIERTER FREIGELASSEN

Derzeit sind nach Angaben des Auswärtigen Amts von den 35 deutschen Staatsbürgern, die seit dem Putschversuch wegen politischer Vorwürfe in türkischer Haft saßen, noch fünf inhaftiert. Ein Mann mit deutschem Pass wurde erst am Donnerstag vorläufig freigelassen.

Bei dem Vorbereitungstreffen der Minister für Finanzen, Wirtschaft und Energie dürfte es auch um die wirtschaftliche Talfahrt in der Türkei gehen. Dazu haben US-Sanktionen wegen der Festsetzung eines US-Geistlichen beigetragen. Finanzhilfen von deutscher Seite stehen aber nicht zur Debatte. "Wir haben ein großes Interesse an einer stabilen Türkei, auch wirtschaftlich", sagte Außenminister Maas in Berlin. "Ich glaube aber, dass die Türkei selbst in der Lage ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um diese Stabilität wiederherzustellen."

Wirtschaftsminister Altmaier kündigte Bemühungen an, um die wirtschaftlichen Kontakte beider Länder wieder enger zu gestalten. "Wir wollen, dass die Türkei ein stabiles und demokratisches Land bleibt." Dazu könnten gute Wirtschaftsbeziehungen einen Beitrag leisten, sagte er zu Reuters. Er werde daher Ende Oktober in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation in die Türkei reisen. Altmaier erinnerte an die enge Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei durch die vielen türkischstämmigen Bürger im Landes. Zudem sei Deutschland der wichtigste Handelspartner der Türkei, mit der ein Handelsgeschäft in der Größenordnung von 37 Milliarden Euro im vergangenen Jahr abgewickelt wurde. 7000 deutsche Firmen sind in dem Land am Bosporus tätig.

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