Koalition nach Wahlklatsche um Eindruck von Stabilität bemüht

Reuters

Veröffentlicht am 15.10.2018 12:09

Koalition nach Wahlklatsche um Eindruck von Stabilität bemüht

- von Thorsten Severin und Andreas Rinke und Jörn Poltz

Berlin/München (Reuters) - Trotz der Erschütterung durch die Bayernwahl halten sich die Spitzen der großen Koalition vorerst mit Konsequenzen zurück.

CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer sagte am Montag in München, die große Koalition sei stabil. Dazu werde die CSU ihren Beitrag leisten: "Wir werden aktiv und konstruktiv in der Bundesregierung mitarbeiten." SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, die Frage, ob die große Koalition funktioniere, entscheide sich nicht alleine am Ergebnis einer Landtagswahl. Mehrere CDU-Spitzenpolitiker stellten sich hinter eine erneute Kandidatur von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Parteichefin im Dezember. Bei der Landtagswahl hatten sowohl die CSU als auch die SPD schwere Verluste eingefahren. In zwei Wochen wählen die Hessen.

Der CSU-Parteivorstand nominierte Regierungschef Markus Söder einstimmig erneut für das Amt des Ministerpräsidenten. Seehofer stellte klar, dass er die Doppelspitze mit Söder fortsetzen wolle: "Ich glaube, das hat sich sehr bewährt." Er sehe seine Aufgabe auch darin, die CSU auf die Europawahl im Mai und die bayerische Kommunalwahl 2020 vorzubereiten. Söder bezeichnete es als seine Aufgabe, "die Stabilität, die wir den Wählern versprochen haben, auch persönlich zu garantieren". Er strebe eine Koalition mit den Freien Wählern an, werde aber mit allen im Landtag vertretenen Parteien außer der AfD sprechen.

SCHLECHTESTES ERGEBNIS FÜR CSU SEIT 1950

Bei der Landtagswahl fuhren die Christsozialen mit 37,2 Prozent (2013: 47,7 Prozent) ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 ein. Die Sozialdemokraten rangieren mit 9,7 Prozent nur noch im einstelligen Bereich. Für sie ist es das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Zweitstärkste Kraft sind die Grünen, die ihr Ergebnis von 2013 auf 17,5 (8,6) Prozent verdoppelten. Die Freien Wähler legten auf 11,6 (9,0) Prozent zu. Die AfD zieht mit 10,2 Prozent in den Landtag ein. Die FDP schaffte nach einer Zitterpartie mit 5,1 (3,3) Prozent knapp den Einzug in den Landtag, aus dem sie 2013 geflogen war. Damit verliert die CSU erst zum zweiten Mal seit 1962 die absolute Mehrheit der Sitze im bayerischen Landtag.

Seehofer sagte, die CSU habe sehr stark an die Freien Wähler und an die AfD verloren. Mit einem Wahlergebnis von 37,2 Prozent spiele die CSU aber "immer noch eine besondere Rolle in Deutschland". Die Frage nach einer Söders stelle sich nicht. Der frühere CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer rechnet mit einer automatischen Führungsdebatte in der CSU. Söder sitze aber fest im Sattel. Wenn es um die Nachfolge für Seehofer gehe, dann könne sich Söder "den Parteivorsitz nicht nehmen lassen".

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Nahles machte deutlich, dass es aus Sicht der SPD zu früh sei, um zu entscheiden, ob die große Koalition funktioniere. Es werde eine Entscheidung in den nächsten Monaten geben. Dabei müsse man bewerten, inwieweit sich Themen umsetzen ließen, für die die SPD das Mandat zum Eintritt in die Koalition bekommen habe. "Rote Linien jetzt zu definieren, das halte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht für angesagt." SPD-Vize Ralf Stegner sagte dem Sender n-tv: "Wenn sich nicht Gravierendes in Berlin ändert, wird die Regierungskoalition nicht mehr lange halten." Stegner warnte zugleich, Personaldebatten würden jetzt nicht weiterhelfen. Die SPD müsse jetzt Vertrauen zurückgewinnen.

MERKEL ALS KANDIDATIN FÜR CDU-VORSITZ GESETZT

EU-Kommissar Günther Oettinger sagte unterdessen mit Blick auf Merkel: "Meine Erwartung ist, dass sie antritt, bereit ist weiterzumachen und auch klar gewählt wird." Das "Klein-Klein" in der Koalition müsse aber aufhören. Anfang Dezember steht auf dem CDU-Bundesparteitag die Wahl der gesamten Parteispitze an. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff antwortete auf die Frage, ob Merkel weitermache: "Natürlich, wer soll sonst antreten?" Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte erklärt, Merkel sei nicht mehr so unumstritten wie früher. Er hatte zugleich "Erschütterungen" und neue Personaldiskussionen nach der Landtagswahl in Hessen in zwei Wochen vorhergesagt.