EVP-Spitzenkandidat nur ein Schritt zum EU-Chefposten

Reuters

Veröffentlicht am 12.11.2018 09:51

EVP-Spitzenkandidat nur ein Schritt zum EU-Chefposten

- von Andreas Rinke

Helsinki (Reuters) - EVP-Fraktionschef Manfred Weber war noch keine Stunde Spitzenkandidat von Europas Konservativen für die Europawahl, als Kanzlerin Angela Merkel gleich das nächste politische Schlachtfeld eröffnete.

Die Wahl des 46-Jährigen sei ein guter Tag für CDU und CSU, sagte die noch amtierende CDU-Chefin am Donnerstag in Helsinki. "Denn wir hatten lange schon keinen Kandidaten mehr für den Vorsitz der Europäischen Kommission." Sie erinnerte damit ihre Kollegen im EU-Rat daran, dass in der finnischen Hauptstadt eben nicht nur eine Entscheidung für den Wahlkampf der Konservativen auf europäischer Ebene gefallen ist - sondern aus ihrer Sicht auch eine Vorentscheidung für die Besetzung des mächtigsten EU-Postens nach der Europawahl im Mai 2019.

Denn seit Monaten streiten im Hintergrund die verschiedenen Ebenen in der EU, wie verbindlich das 2014 eingeführte Spitzenkandidaten-Prinzip 2019 noch sein soll. Damals waren es vor allem der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), und der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, die das Prinzip als Symbol einer "Demokratisierung Europas" durchdrückten. Der Kandidat der künftig stärksten Fraktion im Parlament sollte danach auch Kommissionspräsident werden. Zwar moserten viele Regierungschefs wie auch Merkel, weil das Prinzip zum einen die Auswahl begrenzt und zum anderen den nationalen Regierungen das Heft des Handelns aus der Hand nahm. Aber 2014 funktionierte diese Absprache, weil EVP und die sozialdemokratischen Parteienfamilie SPE zusammen die Mehrheit im EP stellten - und sich die Sozialdemokraten nach der Wahl an die Verabredung hielten und den EVP-Spitzenkandidaten Juncker wählten.

MACRON WILL NICHT, PARLAMENT ZERSPLITTERT

Doch aus mehreren Gründen wird das Prinzip nun infrage gestellt, was auch Webers politische Zukunft betreffen kann. Denn in Brüssel gibt es viele, die gar nicht an seinen Sprung ins höchste EU-Amt glauben. Zum einen liegt dies an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Da seine "Bewegung" zu keiner der etablierten Parteienfamilien gehört und er sich nicht bei anderen ein- und unterordnen will, hat er das Spitzenkandidaten-Prinzip wegen eigener Chancenlosigkeit bereits abgelehnt. Das wirkt sich auch auf die Liberalen aus, die damit liebäugeln, später mit Macrons "En Marche" zusammenzuarbeiten, um die eigene Bedeutung zu erhöhen. Viele seit 2014 an die Macht gekommene EU-Regierungschefs lehnen zudem grundsätzlich ab, dass das Parlament ihnen Vorschriften machen will. Dazu gehören etwa rechtsgerichtete Regierungen in Osteuropa. Und sie haben durchaus einen Hebel: Denn das Parlament wählte den Kommissionspräsidenten zwar, aber auch der Rat muss mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

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Dazu kommt die zunehmende weitere Zersplitterung des Europäischen Parlaments. Denn nach jetzigen Umfragen wird die EVP 2019 zwar erneut stärkste Fraktion. Aber zusammen mit den Sozialdemokraten werden sie nicht mehr die Mehrheit der Abgeordneten stellen. Über den EU-Kommissionspräsidenten entscheiden also wahrscheinlich auch andere Parteienfamilien wie eben die Liberalen oder die Grünen mit. Möglicherweise wird also ein Spitzenkandidat Kommissionschef - aber nicht mehr unbedingt der der stärksten Fraktion. Als wahrscheinlich gilt aus Sicht von EU-Diplomaten, dass ein Personalpaket geschnürt wird. Denn es gilt auch die Posten des EU-Ratspräsidenten, der EU-Außenbeauftragten und später im Jahr 2019 auch den Posten des Präsidenten der Europäischen Zentralbank zu besetzen.

Deshalb, so EU-Diplomaten in Helsinki, war es wichtig, dass Merkel sich gleich hinter Webers Ansprüche gestellt hat. Denn auch wenn noch nicht klar ist, welchen Chefposten Deutschland 2019 besetzen könnte: Die Bundesregierung hat den EU-Partnern ausreichend deutlich gemacht, dass diesmal einer der Posten ins größte EU-Land gehen soll.