CDU muss im Osten "Verhinderungsmehrheiten" fürchten

Reuters

Veröffentlicht am 14.08.2018 10:04

CDU muss im Osten "Verhinderungsmehrheiten" fürchten

- von Andreas Rinke und Hans-Edzard Busemann

Berlin (Reuters) - Manchmal verursacht die zweite Runde einer Debatte mehr Aufregung als die erste: So hagelte es Kritik an der Äußerung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU), im Osten der Republik notfalls auch mit der Linken zu reden.

Dabei hatte Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Ingo Senftleben die Debatte schon im April eröffnet. Und wie Senftleben verwies jetzt Günther ausdrücklich auf die Umfragewerte in den Ost-Bundesländern. "Es kann gut sein, dass wir in einigen Ländern eine faktische Verhinderungsmehrheit von Linkspartei und AfD bekommen", sagt auch Thomas Binkert, Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, am Montag zu Reuters.

Denn die letzten Meinungsumfragen ergeben für die linken und rechten politischen Flügelparteien zusammen in den fünf Ost-Ländern Werte von 38 bis 44 Prozent (Thüringen). Es könnte also sein, dass bei den 2019 und 2021 anstehenden Landtagswahlen in den neuen Bundesländern keine Koalition mehr ohne eine dieser beiden Parteien gebildet werden kann. Als Schock-Erlebnis gilt vielen in den etablierten Parteien Sachsen-Anhalt, wo 2016 eine "Kenia"-Koalition aus CDU, SPD und Grünen gebildet wurde. Insa-Chef Binkert hatte deshalb schon im April darauf verwiesen, Senftleben habe nur eine Debatte angestoßen, die die CDU vielleicht ohnehin werde führen müssen. Im Osten gelte die Linke ohnehin als gemäßigter und akzeptierter, sagte der Experte des Wahlforschungsinstituts Forsa, Peter Matuschek, zu Reuters TV.

Allerdings hätte es weitreichende Folgen bis hin zu einer grundlegenden Änderung der Parteilandschaft, wenn die konservative CDU nach SPD, Grünen und FDP nun auch mit den Linken auf Landesebene koalieren würde. Bisher war dies auch im Osten nur auf lokaler Ebene der Fall. "Die Diskussion schadet der Union insgesamt - und dürfte sich auch negativ auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Herbst auswirken", meint Binkert. Denn nun entstehe der Eindruck der Beliebigkeit der Union - was auch die Absetzbewegungen vor allem des konservativen Flügels und auch das Zurückrudern von Günther selbst erklären könnte. "Eine Koalition mit der Linkspartei lehne ich entschieden ab", sagte der Ministerpräsident am Sonntag. Dann verwies er aber erneut auf die drohende "Verhinderungsmehrheit". "Meine aktuellen Äußerungen bezogen sich auf die konkrete Diskussion in der Union für den Fall, dass nach der Wahl keine Mehrheiten gegen Linke und AfD möglich sind", betonte der CDU-Politiker.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nahm Günther am Montag ausdrücklich in Schutz: Dieser habe gar keine Koalition vorgeschlagen, sondern einen "pragmatischen Umgang mit Wahlergebnissen", sagte Ramelow zu Reuters. Nur erzeuge dies eine "Scheindebatte", während eine Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten der AfD nötig sei.

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"CDU KANN IN DEBATTE NUR VERLIEREN"

Deshalb kann die CDU, die sich bisher um eine klare Abgrenzung nach Rechts- und Links-Außen bemühte, nach Binkerts Ansicht nur verlieren. Wenn sie Koalitionen mit Linken und AfD ausschließt, wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), droht nach einer Wahl eventuell eine schwierige Situation, weil sie keine Koalition zustande bringt. Wenn sie die Debatte aber führt und eine "Ausschließeritis" wie Senftleben vermeidet, droht sie konservative Wähler abzuschrecken. Wohl auch deshalb stellte CDU-Chefin Angela Merkel am Montag unmissverständlich klar: "Ich befürworte keine usammenarbeit mit der Linken-Partei und das schon seit vielen Jahren." Man werde alles tun, damit unter Führung der CDU bei den anstehenden Wahlen in den neuen Bundesländern Regierungen ohne die Linke und die AfD gebildet werden könnten. Was passiert, wenn dies doch nicht möglich sein sollte, lässt Merkel damit aber offen.