"Alle Blicke nach Hessen" - CDU will Wahlkampf statt Debatte

Reuters

Veröffentlicht am 15.10.2018 10:53

"Alle Blicke nach Hessen" - CDU will Wahlkampf statt Debatte

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - "Nach der Bayern-Wahl ist vor der Hessen-Wahl" - Mit diesem Motto wollte die CDU-Spitze noch am Sonntagabend die massiven Verluste ihrer Koalitionspartner CSU und SPD in Bayern sofort abhaken.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erlaubte sich zwar noch eine kurze Bemerkung, dass das Ergebnis für die CSU "bitter" sei. Aber dann lenkte sie den Blick sofort auf die hessische Landtagswahl in zwei Wochen. Der Grund: Die Abstimmung wird nach Einschätzung der CDU-Spitze eine Art Schicksalswahl auch für CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel. Denn sollte Ministerpräsident Volker Bouffier sein Amt abgeben müssen, sagt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine Debatte auch über die Zukunft der Kanzlerin voraus.

Kramp-Karrenbauer schwor die CDU deshalb bereits am Abend auf Einheit, Ruhe und Kampf ein. Nicht ohne Hintergedanken verbrachte Wahlkämpfer Bouffier den Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus. Und die CDU-Generalsekretärin würgte jede aufkommende Personaldebatte auf Bundesebene sofort ab. Damit man den Blick der Wähler ganz auf die Bilanz der hessischen CDU lenken könne, brauche "man eine entsprechende Diskussionskulisse und Disziplin auf Bundesebene", mahnte sie. Man (DE:MANG) müsse den Wählern zudem ausreden, dass es in Hessen "um eine Abrechnung mit wem auch immer geht". Auf diese Position sollen Präsidium und Bundesvorstand am Montag und dann kommenden Sonntag auf einer Sondersitzung eingeschworen werden. Aber einfach wird dies nicht. Denn es gibt drei mögliche Störfaktoren.

ABWEHR JEDER CSU-KRITIK

Zum einen soll jeder Versuch der CSU abgewehrt werden, die Schuld für die eigenen massiven Verluste bei der CDU abzuschieben, wie dies etwa die konservative Werteunion sofort versuchte. Vorsorglich betonte die CDU-Generalsekretärin, dass die CSU-Verluste Folge eines falschen Wahlkampfes in Inhalt und Stil sei. Im Adenauer-Haus verwies man zudem auf Ergebnisse von Infratest Dimap, nach denen selbst 49 Prozent der CSU-Anhänger die Angriffe von CSU-Chef Horst Seehofer auf Merkel in der Flüchtlingspolitik falsch fanden. Zudem rangierten Bildung, bezahlbarer Wohnraum und Umwelt- und Klimapolitik bei der Wählerentscheidung in Bayern sehr deutlich vor der Asyl- und Flüchtlingspolitik, die die CSU in den vergangenen Monaten immer wieder in der Vordergrund gerückt hat. Das ist Wasser auf den Mühlen von CDU-Chefin Merkel, die Seehofer seit Monaten geraten hatte, über andere Themen als etwa Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze zu reden.

RINGEN UM GESCHLOSSENHEIT IN DER GROKO

Aber die von Kramp-Karrenbauer gewünschte Ruhe droht auch dadurch gestört zu werden, dass sich die Schocks bei CSU und SPD über ihre Verluste auf Bundesebene und die Arbeit der großen Koalition auswirken können. Vor allem SPD-Chefin Andrea Nahles dürfte unter Druck der Parteiflügel geraten, die die Koalition mit der Union ohnehin falsch finden. Dennoch gibt sich Kramp-Karrenbauer optimistisch: Tatsächlich musste auch Nahles am Sonntagabend betonen, dass die SPD nun wegen der Wahl in Hessen trotz aller Enttäuschung sofort umsteuern müsse: Auch die SPD braucht also zumindest bis zum 28. Oktober Ruhe auf Bundesebene.

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Die CSU wiederum muss sich in den kommenden drei, vier Wochen voll auf die Regierungsbildung in Bayern konzentrieren. "Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass alle drei Regierungsparteien die notwendigen Konsequenzen aus dem Wahlergebnis ziehen werden", sagte Kramp-Karrenbauer. Ein Burgfrieden könnte auch Merkel helfen, die wochenlang vor allem zwischen harten SPD- und CSU-Positionen zerrieben wurde - und deshalb schwach wirkte. Aber die Ruhe in der großen Koalition ist wenn überhaupt eben nur bis zur Hessen-Wahl sicher.