FEATURE-Regierungsmobiliar oder Neueinrichtung - SPD geht in Stichwahl

Reuters

Veröffentlicht am 19.11.2019 01:03

FEATURE-Regierungsmobiliar oder Neueinrichtung - SPD geht in Stichwahl

- von Holger Hansen

Berlin, 19. Nov (Reuters) - "Olaf Scholz ist ja schon so'n Stück Möbel der bundesrepublikanischen Politik", sagt Klara Geywitz über den Finanzminister, mit dem sie für den Parteivorsitz kandidiert. Die Brandenburgerin meint es anerkennend. Doch sie bringt am Montagabend auch ungewollt auf den Punkt, was für den Vizekanzler das größte Pfund und zugleich sein größtes Problem auf dem Weg zum SPD-Vorsitz ist: Der 61-Jährige steht für viele in der Partei für ein Inventar, das nicht für neuen Glanz steht. "Wir dürfen kein 'Weiter so' machen", sagt sein Konkurrent, Norbert Walter-Borjans, dann auch. "Die Menschen wollen auch sehen, dass wir personell einen Neuanfang machen."

Ein letztes Mal treffen die beiden Bewerberpaare für den SPD-Vorsitz am Montagabend aufeinander, bevor am Dienstag die zweite Runde des Mitgliederentscheides beginnt. Vom 19. bis zum 29. November sollen knapp 426.000 Genossen abstimmen, wer als Doppelspitze die SPD aus dem Umfragentief wieder über die 20-Prozent-Marke führen soll: Scholz im Tandem mit der früheren Brandenburger Landtagsabgeordneten Geywitz oder der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Saskia Esken?

Die vom TV-Sender Phoenix und vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ausgerichtete Runde bringt etwas mehr Klarheit in zwei Fragen: Sollten sich der Vizekanzler und Geywitz durchsetzen, würde Scholz wohl auch Kanzlerkandidat. Sie finde es "eigentlich ziemlich logisch", wenn die SPD mit ihrem bekanntesten Politiker antrete, der "unglaublich viel Regierungserfahrung" habe und "zufällig auch noch der populärste Sozialdemokrat ist", sagt Geywitz. Ebenso klar wird, dass bei einem Erfolg des konkurrierenden Paares wohl das Ende der Koalition eingeläutet würde. "Ja, das ist meine Empfehlung", sagt Esken auf die Frage, ob der SPD-Parteitag Anfang Dezember Schluss machen werde mit dem Regierungsbündnis, wenn die Union nicht zu Nachverhandlungen über den Koalitionsvertrag bereit sei. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat in der "Welt am Sonntag" bereits zu Protokoll gegeben: "Der Koalitionsvertrag gilt, und er wird ganz sicher nicht neu verhandelt."

SCHLAGABTAUSCH ÜBER SCHWARZE NULL

Scholz und Geywitz wollen die Koalition bis zum regulären Ende der Wahlperiode 2021 fortführen. Der Vizekanzler verweist darauf, dass etwa die Sicherung des Rentenniveaus über das Jahr 2025 hinaus oder auch eine Einschränkung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen noch ausstünden. Letzteres sei für "ganz viele Familien 'ne ganz wichtige Sache für ihre Zukunftsplanung". Mit Verve tritt Scholz für die Rente ein: "Die Rentenversicherung muss von uns beschützt werden." Die Stabilisierung des Rentenniveaus sei möglich: "Ich habe auch ausgerechnet, das kann man machen." Der Bundesetat 2030 werde etwa 500 Milliarden Euro ausmachen: "Da können wir schon eine Summe ausgeben, die zum Beispiel 30 Milliarden umfassen würde, um ein stabiles Rentenniveau garantieren zu können."

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Die SPD habe in der Koalition "zu viele Kompromisse der faulen Art" gemacht, hält Walter-Borjans dagegen. Dazu zählt er, dass ein Rentenniveau von 48 Prozent eines Durchschnittslohns zu wenig sei. Es müsse mehr Geld in die Rentenkasse fließen: Für Vermietungen, Verpachtungen und Kapitalerträge sollten Beiträge abgeführt werden, auch hohe Einkommen müssten mehr zahlen.

Auch das Ziel des ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden, die Schwarze Null, wollen Walter-Borjans und Esken aufgeben, zugunsten von mehr Investitionen. Es sei die "Frage, ist das mit dem Koalitionspartner zu machen", räumt Walter-Borjans ein. Den Einwand von Scholz, mit jährlichen Investitionen von über 40 Milliarden Euro und dem Klimapaket gebe die Regierung "richtig viel Geld aus", weist Esken zurück: Bei einem Sanierungsstau von 38 Milliarden Euro an den Schulen seien Bundesmittel von 3,6 Milliarden Euro nur "ein Tropfen auf den heißen Stein". Esken will auch den gesetzlichen Mindestlohn über die Köpfe der Tarifpartner hinweg einmalig anheben auf "zwölf Euro oder darüber". Auch das lehnt die Union ab.

GEYWITZ SPRINGT FÜR SCHOLZ IN DIE BRESCHE

Einen Kanzlerkandidaten will Esken erst wieder aufstellen, wenn die SPD solche Zustimmungswerte erreicht habe, dass sie für den Anspruch auf die Regierungszentrale "nicht ausgelacht" werde. Ein Ausstieg aus der Koalition würde nach ihren Worten "das Fenster aufmachen für eine Sozialdemokratie, die sich erkennbar wieder sozialdemokratisch zeigen kann".

Scholz fordert für die SPD indes den Anspruch, "dass man uns das Führen der Regierung zutraut". Geywitz will mit ihm für ein "progressives Bündnis jenseits der Union", für "andere Mehrheiten" kämpfen. In der Vierer-Runde geht die Brandenburgerin an diesem Abend den Konkurrenten Walter-Borjans direkt an, als er vorbringt, zu einer Neuaufstellung der SPD gehöre auch neues Personal. "Ich finde, Du machst es Dir ganz schön einfach." Walter-Borjans behaupte, "das größte existierende Problem der Sozialdemokratie ist Olaf Scholz". Sie fügt hinzu: "Er hat für uns zweimal Wahlen gewonnen und macht als Vizekanzler einen guten Job." Auch Scholz setzt darauf, dass sich die Regierungsbilanz beim Mitgliederentscheid für ihn auszahlt. Die SPD habe viel durchgesetzt. "Diese Freude wird sich niederschlagen bei den Entscheidungen, die in der SPD jetzt zu treffen sind", sagte er am Montag bei der Kabinettsklausur. (redigiert von Katahrina Loesche. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern +49 30 2888 5168 oder +49 69 7565 1236.)

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