US-Zinsentscheid ruft deutsche Kritiker Draghis auf den Plan

Reuters

Veröffentlicht am 22.03.2018 12:58

US-Zinsentscheid ruft deutsche Kritiker Draghis auf den Plan

Berlin (Reuters) - Nach der erneuten Zinserhöhung in den USA mehren sich in Deutschland die Stimmen, die eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik der EZB fordern.

"Konjunkturell ist dieser Schritt überfällig", sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, am Donnerstag. "Die Stimmung der deutschen und europäischen Wirtschaft ist derzeit noch so gut wie nie. Ein Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik würde dem auch keinen Abbruch tun." Zuvor hatten die Wirtschaftsweisen die Europäische Zentralbank unter ihrem Chef Mario Draghi aufgefordert, sich allmählich von der Politik des ultrabilligen Geldes zu verabschieden.

Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW, das Börsianern monatlich den Puls fühlt, warnt vor langfristigen Risiken einer verspäteten Abkehr: "Die US-Notenbank ist dabei, sich einen ausreichenden Spielraum für die zinspolitische Bekämpfung der nächsten Krise zu erarbeiten. Sie ist inzwischen um Welten besser aufgestellt als die EZB." Die Fed schaffe mit den aktuellen Erhöhungen der Zinsen die Möglichkeit, sie in einem konjunkturellen Abschwung bei Bedarf wieder zu senken.

Die EZB hat jedoch nach Ansicht von Kritikern mit ihrem Festhalten an den Nullzinsen wenig Munition, um für einen solchen Fall gerüstet zu sein. "Der nächste globale Abschwung könnte schneller kommen, als viele das derzeit glauben. Die US-Notenbank wird dann handlungsfähig sein, während sich die EZB durch ihre Zögerlichkeit in eine hilflose Lage manövriert", sagte Heinemann.

Die EZB hält dagegen, dass ihr weiterhin unkonventionelle Instrumente bleiben, wie etwa ihre großangelegten Anleihenkäufe. Es sei eine der wichtigsten Lehren aus den Krisenjahren gewesen, dass solche unorthodoxen Maßnahmen in Notfallsituationen notwendig seien, betonte der scheidende EZB-Vizechef Vitor Constancio unlängst. Die EZB hat bereits Papiere im Volumen von mehr als zwei Billionen Euro aufgekauft und will das Programm noch mindestens bis September fortführen, wobei aber eine kurze Auslaufphase bis zum Jahresende im Gespräch ist. EZB-Direktor Benoit Coeure hatte jüngst gewarnt, eine weitere Finanzkrise in Europa könnte die Zentralbank an ihre Grenzen treiben.

"EZB WIRD SICH NOCH VIEL ZEIT LASSEN"