Russische Fernfahrer wollen ihren Zorn über Maut nach Moskau tragen

dpa-AFX

Veröffentlicht am 29.11.2015 17:02

Russische Fernfahrer wollen ihren Zorn über Maut nach Moskau tragen

MOSKAU (dpa-AFX) - In Russland fordern Proteste der Fernfahrer gegen ein neues Mautsystem die Führung von Präsident Wladimir Putin heraus. An vielen Überlandstraßen haben die Fahrer ihre Lastwagen abgestellt, um den Verkehr zu behindern - auf der Hauptstrecke M4 von Moskau nach Südrussland zog sich die Kolonne vor wenigen Tagen kilometerlang. In der Teilrepublik Dagestan am Schwarzen Meer drohen Brummifahrer für den 30. November mit einer Fahrt Richtung Hauptstadt. "Wenn man uns nicht anhört, dann fahren wir nach Moskau und bilden ein Lager am Autobahnring. Wir sind das Zeltleben gewöhnt", sagte ein Fahrer im Interview mit der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta".

Das hört sich fast nach einem Maidan an, nach Protesten wie in der Ukraine, die Russland doch auf eigenem Territorium um jeden Preis verhindern will. Der Kreml hält die zahlenmäßig geringe Opposition und alle Nichtregierungsorganisationen unter strenger Kontrolle. Trotzdem wird die Staatsmacht immer wieder überrascht, wenn sich sozialer Protest rasch und unorganisiert Bahn bricht.

Die Einführung einer Straßenmaut ist in Russland wie in anderen Ländern mit Ärger und technischen Problemen verbunden. Seit dem 15. November muss für Lastwagen über 12 Tonnen Maut entrichtet werden auf den 51 000 Kilometern Fernstraßen, die von der Zentralregierung verwaltet werden. Derzeit kostet der Kilometer 1,53 Rubel (0,2 Eurocent), ab März sollen es 3,06 Rubel sein. Bei den weiten russischen Entfernungen kommen schnell größere Summen für das Mautsystem "Platon" zusammen.

Schätzungen der Betroffenen zufolge würde sie das Straßengeld ein Drittel ihres Gewinns kosten. Ein Fuhrunternehmer aus dem Gebiet Belgorod südlich von Moskau rechnet vor: "Bei drei Lkws sind das 1,35 Millionen Rubel im Jahr. Da lasse ich die Wagen doch auf dem Parkplatz." Viele der zwei Millionen Lastwagen in Russland gehören Kleinunternehmern, sie trifft die Maut am härtesten. Im Süden fahren besonders viele Lastwagen und versorgen den ganzen europäischen Teil des Landes mit Lebensmitteln.

Bei Verstößen setzt es hohe Strafen. Doch wegen des Aufbegehrens kündigte Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch bereits an, die Bußgelder für eine Einführungsphase wieder zu senken.

Nur jeder zehnte Lkw habe den Transponder für die satellitengestützte Streckenerfassung, schrieb der Ombudsmann für Unternehmerrechte, Boris Timow, an Putin. Auch die Buchung einzelner Strecken im Internet funktioniere nicht. "In der Hälfte der Fälle ist die Seite nicht erreichbar, Gebühren werden willkürlich eingezogen."

Die russische Straßenbehörde Rosawtodor argumentiert, die schweren Lastwagen schädigten die Straßen am meisten. Sie hofft auf Einnahmen von 50 Milliarden Rubel (735 Millionen Euro) jährlich, die in die Sanierung der Fernstraßen gesteckt werden sollen. Umgerechnet 155 Millionen Euro jährlich soll der Betreiber des Mautsystems bekommen, eine Firma namens "RT-Invest - Transportnyje Systemy".

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Zum Ärger der Fernfahrer trägt bei, dass die Firma enge Beziehungen zum Kreml hat. Sie gehört zu Teilen Igor Rotenberg. Dessen Vater Arkadi Rotenberg ist Milliardär und Vertrauter Putins.

Die Brummifahrer sind robuste Leute; und es sind so viele, dass sich der Staat ein Einschreiten gut überlegen muss. Als 2006 in Barnaul in Sibirien ein Autofahrer zu Unrecht wegen eines tödlichen Unfalls verurteilt wurde, fuhren in ganz Russland Pkws demonstrativ langsam - die Behörden ließen den Mann sehr schnell wieder frei. 2010 setzten Moskauer Autofahrer blaue Plastikeimer auf ihre Wagen - ein Protest gegen die Beamten und Wirtschaftsbosse, die sich mit Blaulicht einen schnelleren Weg durch das Moskauer Verkehrsdickicht bahnten.

In den zentralen russischen Medien kommt der Fernfahrer-Protest kaum vor. Die Polizei beobachtet die Aktionen, greift aber nicht ein. Als "Nationalverräter" verunglimpfte ein Abgeordneter der Kreml-Partei Geeintes Russland die Lkw-Fahrer. "Ich rede jetzt über die Aktionen der Fernfahrer, die nach einem Plan der USA auf die Zerstörung der Russischen Föderation abzielen", sagte Jewgeni Fjodorow.

"Jeder Fernfahrer weiß natürlich, dass er nicht fünfte Kolonne, nicht Söldner der USA ist", schrieb die Zeitung "Moskowski Komsomolez". Die Kapitäne der Landstraße seien eine echte Macht. "Sie können leicht den Rücktritt der Regierung bewirken.

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