HINTERGRUND-MEGA-Projekt für die EU - Berlin und Paris planen groß

Reuters

Veröffentlicht am 23.01.2018 09:57

HINTERGRUND-MEGA-Projekt für die EU - Berlin und Paris planen groß

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - "Gemeinsam" und "Freundschaft" - das sind die beiden Worte, die am Montag zum 55. Jahrestag des deutsch-französischen Élysée-Vertrages am häufigsten fielen.

Denn sowohl die beiden Parlamente in Berlin und Paris, als auch Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron nutzen den Jahrestag für den Startschuss, um in der EU ein Projekt zu starten, das man in Anlehnung an die Rhetorik von US-Präsident Donald Trump wohl am besten "MEGA" nennen könnte - "Make Europe Great Again". Die deutsch-französische Zusammenarbeit soll dabei der Nukleus einer Generalüberholung der EU sein, darüber sind sich die Fraktionen im Bundestag und der Assemblée Nationale einig - mit Ausnahme der Rechtsaußen von Front National und AfD.

Bereits seit Wochen deutet sich an, dass Berlin und Paris in der EU Gas geben wollen. Verdeckt wurde dies bisher durch die schleppende Regierungsbildung in Deutschland. Aber bereits am Freitag - und damit noch vor dem Votum des SPD-Parteitags - war Merkel nach Paris und anschließend noch zur derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft nach Sofia gereist, um zu signalisieren "Germany is back". Denn in anderen EU-Staaten wurde der Unmut lauter, dass auch der größte EU-Staat endlich sagen müsse, wohin er in der EU-Reformdebatte gehen will. Schließlich gibt es wegen des britischen EU-Austritts im Frühjahr 2019 und den Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr nur ein schmales Reformfenster. "Die Welt wartet nicht", hatte die Kanzlerin mehrfach betont. Aber mit Blick auf Sondierungen und Wünsche möglicher Koalitionspartner scheute sie Aussagen, wohin die Reise gehen soll.

Vor allem Frankreich drängelte. "Ich versuche, meine Pflichten vernünftig zu erfüllen und gleichzeitig intensiv daran zu arbeiten, dass wir eine stabile Regierung haben", bat Merkel noch in Sofia um Geduld.[nL8N1PF0GI] Nun ist alles anders: Wie Macron macht auch die CDU-Chefin das Ausmaß der gemeinsamen Ambitionen deutlich: Beide nennen die ganze Breite des Renovierungsbedarfs in der EU - von der Verteidigungs-, Wirtschafts-, Migrations-, Finanz- bis zur Wissenschaftspolitik. Und im Sondierungspapier mit der SPD wird auch die Notwendigkeit des Dialogs über Mindestlöhne genannt, also der Einstieg in eine Sozialunion, die den EU-Bürgern mehr soziale Sicherheit vermitteln soll. Der Bundestag macht nun mit einer ebenso ambitionierten Agenda für die Weiterentwicklung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages zusätzlichen Druck.

Nachdem die SPD den Weg für Koalitionsverhandlungen frei gemacht hat, tragen Merkel und Macron ihr MEGA-Projekt nun auch nach außen: Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wollen beide signalisieren, dass Europa als Akteur zurück ist. Dazu können sie auf gute Wirtschaftsdaten verweisen - und die EU als Pol des Vertrauens und der Werte anpreisen, weil gleichzeitig weltweit Zweifel an der Führungsfähigkeit der Supermacht USA aufgekommen sind. Nach einer Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup ist die weltweite durchschnittliche Zustimmung zum Führungsanspruch der USA in der Amtszeit von Trump von 48 auf 30 Prozent gesunken. Neuer Spitzenreiter in der Vertrauens-Umfrage ist - Deutschland.

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"Ich glaube, dass Merkel schon länger innerlich mit MEGA befasst ist", meint der Europa-Experte des German Marshall Funds (GMF), Jan Techau. "Wenn so etwas wie ein Legacy-Projekt in ihrer Gedankenwelt vorkommt, dann ist es dieses", fügt er mit Blick darauf hinzu, dass Merkel auch an die Zeit nach ihrer Kanzlerschaft denken müsse. Aus seiner Sicht ist die Kanzlerin mit dem Europa-Teil des Sondierungspapiers "anschlussfähig" an Macron geworden, weil sie statt des früheren intergouvernmentalen Denkens in der EU nun klare Integrationssignal akzeptiert habe.

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