Handelsstreit lässt EZB unter der Sonne Portugals nicht kalt

Reuters

Veröffentlicht am 21.06.2018 08:40

Aktualisiert 21.06.2018 08:50

Handelsstreit lässt EZB unter der Sonne Portugals nicht kalt

- von Balazs Koranyi und Francesco Canepa

Sintra (Reuters) - Der Sonnenschein über der Notenbank-Konferenz der EZB im portugiesischen Sintra erweist sich als trügerisch:

Wie Insider berichten, trüben die Folgen des von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochenen Handelskriegs mit Europa und China die Stimmung. Sorgen über die konjunkturellen Auswirkungen des eskalierenden Streits verberge die Europäische Zentralbank jedoch hinter einer "Fassade des Optimismus", kritisiert einer der Kenner der Notenbanken-Szene, der anonym bleiben will.

Erst vorige Woche hat die EZB einen wichtigen Schritt Richtung Normalisierung ihrer Geldpolitik getan und den Stopp der umstrittenen Anleihenkäufe für das Jahresende angekündigt. Angesichts des heraufziehenden Handelskriegs kommen offenbar erste Zweifel auf, ob sich die Notenbank zu früh vorgewagt hat: "Der Protektionismus wird größere Auswirkungen haben als jetzt erwartet", warnt ein weiterer Insider. Das schrittweise Zurückfahren der EZB-Konjunkturhilfen sei in Gefahr: "Ich denke, das ist an den Märkten noch nicht so richtig angekommen. Eines Tages gibt es ein böses Erwachen."

EZB-Präsident Mario Draghi kündigte in Sintra ein behutsames Vorgehen bei einer künftigen Zinsanhebung an. Am Geldmarkt würden diese Erwartungen weitgehend widergespiegelt. Derzeit wird dort mit einer ersten Anhebung des Einlagensatzes im September 2019 gerechnet. Dieser liegt aktuell bei minus 0,4 Prozent. Banken müssen also Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank über Nacht Geld hinterlegen. Daran soll nach dem Willen der Währungshüter noch lange Zeit nicht gerüttelt werden. Sie signalisierten mit dem jüngsten Zinsbeschluss, dass der geldpolitische Schlüsselsatz "mindestens über den Sommer 2019" auf dem aktuellen Niveau bleiben soll - auch wenn Frankreichs Zentralbankchef Francois Villeroy de Galhau jüngst überraschend ein früheres Zeitfenster nannte.

Erst vorige Woche hat die EZB auch ihre aktualisierte Wachstumsprognose vorgelegt, in der sie für das laufende Jahr ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 2,1 Prozent, für 2019 von 1,9 Prozent und für 2020 von 1,7 Prozent erwartet. Doch laut Draghi wurden dabei die Folgen von noch nicht erhobenen Zollschranken nicht mit berücksichtigt.