Draghi signalisiert neue EZB-Finanzspritzen - Trump verärgert

Reuters

Veröffentlicht am 18.06.2019 15:50

Draghi signalisiert neue EZB-Finanzspritzen - Trump verärgert

- von Frank Siebelt und Balazs Koranyi und Francesco Canepa

Frankfurt/Sintra (Reuters) - EZB-Chef Mario Draghi stellt auf den letzten Metern seiner Amtszeit die Weichen für eine erneute Lockerung der Geldpolitik - und verärgert damit US-Präsident Donald Trump.

Wenn die Inflation weiterhin nicht anziehe, werde zusätzlicher geldpolitischer Anschub erforderlich sein, sagte Draghi am Dienstag im portugiesischen Sintra. "Wir werden alle Flexibilität innerhalb unseres Mandats nutzen, um unseren Auftrag zu erfüllen." Die Börsen zeigten sich überrascht und zogen deutlich an. Der Euro-Kurs fiel hingegen unter die Marke von 1,12 Dollar. Trump twitterte daraufhin, der billigere Euro erleichtere Europa den Konkurrenzkampf mit den USA. Das sei unfair.

Der Dax drehte nach Draghis Rede ins Plus und gewann zeitweise fast zwei Prozent. Am Anleihemarkt fiel die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe auf ein Rekordtief von minus 0,323 Prozent. "Draghi macht damit verbal einen weiteren wichtigen Schritt, um die Werkzeugkiste der unkonventionellen Maßnahmen im späteren Jahresverlauf erneut zu öffnen - erste Wahl wäre wohl eine Leitzinssenkung", kommentierte Elmar Völker, Anleihen-Analyst beim Bankhaus LBBW. In den USA könnte die Notenbank Fed ebenfalls Hinweise in Richtung tieferer Zinsen geben. Ihre Entscheidung wird am Mittwochabend nach der Zinssitzung erwartet.

Die Indikatoren für die kommenden Quartale deuteten auf eine anhaltende Konjunkturschwäche hin, sagte Draghi. "In den nächsten Wochen wird der EZB-Rat überlegen, wie unsere Instrumente entsprechend der Größe des Risikos für die Preisstabilität angepasst werden können." Die EZB werde eine anhaltend niedrige Inflation nicht akzeptieren.

TRUMP KRITISIERT DRAGHI - "UNFAIR"

US-Präsident Trump griff Draghi direkt an. Die Ankündigungen hätten den Euro gegenüber dem Dollar sofort gedrückt und die Märkte in Europa hätten zugelegt. "Unfair gegenüber den USA", twitterte der Präsident. Trump treibt um, dass Waren und Dienstleistungen aus der Euro-Zone preislich umso attraktiver in anderen Währungsgebieten werden, je billiger der Euro wird. Das verschafft ihnen Preisvorteile gegenüber Waren aus den USA. "Sie sind damit seit Jahren durchgekommen, zusammen mit China und anderen," twitterte Trump. Volkswirte wiesen dies zurück. Die Vorwürfe der Währungsmanipulation entbehrten jeder Grundlage, sagte Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank. "Der gegen Draghi gerichtete Tweet lässt die Befürchtung aufkommen, dass Trump nicht nur an einem Handelskrieg, sondern auch an einem Währungskrieg interessiert sein könnte."

Draghi zufolge gibt es "erheblichen Spielraum" für weitere Anleihenkäufe. Zudem gehörten erneute Zinssenkungen und Maßnahmen, um unerwünschte Nebenwirkungen der anhaltend ultralockeren Geldpolitik einzudämmen, zu den Instrumenten. In der EZB wird derzeit die Möglichkeit diskutiert, den Banken mit gestaffelten Einlagezinsen unter die Arme zu greifen, um die Folgen der jahrelangen Negativzinsen abzumildern. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 25. Juli. Investoren am Geldmarkt rechnen nun fest mit einer Zinssenkung im Euro-Raum noch in diesem Jahr.

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