Veröffentlicht am 17.01.2019 14:26
Unterhaus entscheidet am 29. Januar über Mays "Plan B"
- von Guy Faulconbridge und Kate Holton
London (Reuters) - Das britische Parlament soll am 29. Januar über den nächsten Entwurf von Premierministerin Theresa May zum Austritt des Königreichs aus der EU entscheiden.
Der Abstimmung werde eine ganztägige Debatte über die für Montag angekündigten Vorschläge vorausgehen, kündigte die Fraktionschefin der Konservativen Partei, Andrea Leadsom, am Donnerstag an. Unklar blieb, wie der landläufig "Plan B" genannte neue Entwurf für ein Brexit-Abkommen aussehen könnte: Mays Tories und die oppositionelle Labour-Partei hielten zunächst an ihren Positionen fest. Frankreich begann mit der Umsetzung von Notfallplänen für einen ungeordneten Brexit, Deutschland intensiviert die entsprechenden Vorbereitung.
Am Mittwochabend hatte May nach dem abgewehrten Misstrauensvotum erste Gespräche mit führenden Politikern der anderen Parteien außer Labour geführt, um Möglichkeiten für Kompromisse zu sondieren. Am Donnerstag waren zunächst Gespräche zwischen Ministern und Abgeordneten im Unterhaus angesetzt. Die britische Presse veröffentlichte Listen, wer an Mays Amtsitz in der Downing Street ein- und ausging. Hinweise auf direkte Gespräche zwischen May und dem Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, gab es zunächst nicht. Dieser wiederholte am Donnerstag seine Bedingung, May müsse ein Austritt ohne ein Abkommen am 29. März ausschließen, dann sei er zu Gesprächen bereit.
May war am Dienstag mit ihrem zwei Jahre lang ausgehandelten Austrittsvertrag im Parlament deutlich gescheitert. Seither wird spekuliert, ob es nun zu einem ungeordneten Brexit kommt, ob es neue Verhandlungen mit der EU und einen neuen Anlauf im Parlament oder eine zweite Volksabstimmung geben wird. Die Woche zwischen der Vorstellung der neuen Pläne und der Abstimmung im Parlament dürfte mit Gesprächen über Varianten und Änderungen gefüllt werden. Der Brexit-Ausschuss des Unterhauses hatte am Mittwoch Probeabstimmungen vorgeschlagen, um festzustellen, ob irgendeine Variante eine Mehrheit bekäme.
"SAGT UNS ENDLICH, WAS IHR WOLLT"
Der EVP-Fraktionschef im Europa-Parlament, Manfred Weber, forderte Entscheidungen in London: "Der Ball liegt jetzt bei den britischen Kollegen", sagte der Spitzenkandidat der konservativen Parteienfamilie für die Europawahl. "Sagt uns endlich, was Ihr wollt. Dann sind wir auch zu Gesprächen bereit." Auch Außenminister Heiko Maas forderte Großbritannien eindringlich auf, klar zu sagen, welche Lösung das Land anstrebe. "Die Zeit der Spielchen, die ist jetzt ist vorbei", sagte er im Bundestag. Kaum vorstellbar sei allerdings, dass das Austrittsabkommen noch einmal aufgeschnürt werde. "Deshalb kann man eigentlich nur an die britischen Kollegen appellieren: Euren Sinn für schwarzen Humor, den habt ihr in den letzten Tagen eindrücklich unter Beweis gestellt. Jetzt setzen wir mal auf euren legendären Pragmatismus und Realitätssinn", sagte Maas im Bundestag.
Corbyn schloss eine zweite Volksabstimmung nicht aus. Diese müsse erwogen werden, wenn die anderen Alternativen scheiterten und das Land vor "dem potenziellen Desaster eines 'No-Deals'" stehe, sagte er in Hastings. Nach seiner Aussage legte das Pfund zu. Bislang hatte er sich weitgehend ablehnend zu einer zweite Volksabstimmung geäußert. Allerdings steht Corbyn zunehmend unter Druck auch aus den eigenen Reihen: Einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage von YouGov zufolge sind 78 Prozent der Labour-Anhänger für eine neue Befragung. Der Erhebung zufolge würden 54 Prozent der Briten diesmal für einen Verbleib in der EU stimmen, der höchste Anteil seit dem Votum 2016. Damals hatten 52 Prozent für einen Austritt gestimmt. Die neue Umfrage wurde von der Kampagne People's Vote veröffentlicht, die sich für eine neue Abstimmung starkmacht.
Frankreich begann unterdessen nach eigenen Angaben mit der Umsetzung von Notfallplänen für einen ungeordneten Brexit. Dieser sei jetzt "weniger und weniger unwahrscheinlich", sagte Ministerpräsident Edouard Philippe. Unter anderem sollen 50 Millionen Euro investiert werden, um die Folgen für Häfen und Flughäfen abzufedern.
Auch die Bundesregierung intensiviert nach Angaben von Außenminister Maas die Vorbereitungen für einen ungeregelten Austritt. BDI-Präsident Dieter Kempf warnt: "Ein chaotischer Brexit rückt nun in gefährliche Nähe, Unternehmen schauen in diesen Wochen in den Abgrund." Der Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals bleibe nichts anderes übrig, als alle Vorkehrungen für einen ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens zu treffen.
Geschrieben von: Reuters
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