Börse Frankfurt-News: Das Ende der Liquiditätshausse (Hüfner)

dpa-AFX

Veröffentlicht am 06.06.2013 14:54

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 6. Juni 2013. Hüfner sieht die Verringerung der Geldmenge für die Gesamtwirtschaft positiv, fragt sich aber wie die Kapitalmärkte darauf reagieren werden.

Wenn in diesen Tagen vom Ende der Liquiditätshausse die Rede ist, denkt jeder an die USA. Dort hat die Feder­al Reserve bekannt gegeben, dass sie die Wertpapier­käufe auf den Kapitalmärkten verringern wird. Offen ist nur, wann damit begonnen wird und in welchem Aus­maß es geschieht. Das hat die Märkte erheblich verun­sichert und die Bond-Renditen nach oben getrieben. Der­zeit kauft die Federal Reserve pro Monat noch für 85 Milliarden US-Dollar Wertpapiere.

Es gibt aber noch eine andere Baustelle in diesem Zu­sammenhang. Das ist die Verringerung der Geldmenge in Euroland. Hier geht es nicht nur um Absichtserklärun­gen, sondern bereits um Fakten. Zudem sind die Beträ­ge viel höher.

Se­it Mitte des letzten Jahres ist die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank um insgesamt 500 Milliarden Euro zurückgegangen. Die Grafik zeigt, dass sie sich inzwischen wieder auf dem Trend-Niveau der letzten Jahre befindet. Der monetäre Überhang ist weg. Es ist zu vermuten, dass sich die Bilanzsumme in den nächs­ten Monaten noch weiter verringern wird. Derzeit haben die Banken noch 220 Milliarden Euro Überschussreserven, die nicht gebraucht werden. Die Basisgeldmenge, die sich aus der Bilanzsumme ableitet, war im Mai 23 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

Gesamtwirtschaftlich gesehen ist das eine positive Ent­wicklung. Es zeigt, dass die Geldflut zurückgeht und sich die monetären Bedingungen zu normalisieren beginnen. Damit nehmen die Inflationssorgen ab. Freilich sind wir von normalen Verhältnissen noch weit entfernt, wie sich an den extrem niedrigen Zinsen zeigt.

Für die Märkte ist es dagegen eher problematisch. Es be­deutet, dass ihnen die Liquiditätsdroge entzogen wird.

Warum haben sie darauf - anders als in den USA - bis­her so gelassen reagiert? Fünf Gründe.

Erstens ist der Zusammenhang zwischen der Geldmen­ge und Aktien­kursen nicht so eng. Für die Märkte kommt es auf das gesamte monetäre Umfeld an, nicht auf jede einzelne Bewegung der Liquidität.

Dazu ist wichtig - zweitens -, dass der Rückgang der Li­quidität keine restriktive geld­politische Maßnahme ist. Er ist Resultat einer Marktent­wicklung. Die Banken zah­len Kredite an die EZB zurück, die sie im Rahmen der Lon­ger Term Refinancing Opera­tion (LTRO) Ende 2011/An­fang 2012 aufgenommen hat­ten. Die Notenbank hat an der Rückzahlung kein Inte­resse. Ich vermute so­gar, es wäre ihr lieber, wenn die Banken die Gelder be­halten und sie für zusätzliche Kredite (vielleicht auch Wert­pa­pier­käufe) verwenden wür­den.

Drittens wissen die Märkte, dass die Europäische Zen­tralbank bisher in keiner Weise an eine Restriktion der Geld­politik denkt. Dafür gibt es angesichts der niedri­gen Preis­steigerungsraten, der schlechten Konjunktur und der schwierigen Lage in den Peripherieländern auch keinen Anlass.

Viertens hat die EZB gerade Anfang Mai ihren Leitzins noch einmal auf nun 0,5 Prozent heruntergenommen. Sie hat angedeutet, dass sie zu weiteren Lockerungen bereit ist, wenn sich die Konjunktur verschlechtern sollte. Möglicherweise wird der Zins für die Einlagenfazilität auf un­­­­ter Null gesenkt. Damit würden die Banken noch mehr ge­drängt, keine Gelder bei der EZB zu parken. Allerdings liegen in der Einlagenfazilität derzeit nur noch rund 100 Milliarden Euro. Das könnten die Banken schnell auf ihre nor­malen EZB-Konten umleiten.

Fünftens hat die Notenbank zugesagt, dass die Banken mindestens bis Mitte nächsten Jahres bei den regelmä­ßigen Repo-Geschäften so viel Geld bekommen wür­den, wie sie möchten. Die Tender werden voll zugeteilt (Full Allotment Policy). Wenn sie rentable Geschäfte sehen (auch auf den Kapitalmärkten), werden diese nicht an Geldmangel scheitern.

Mit diesen Maßnahmen ist es der EZB gelungen, den negativen Effekt der Verringerung der Liquidität bis zu einem gewissen Grad aufzufangen. Ganz wird das aber nicht reichen. Zum einen stößt die Zinssenkung inzwi­schen an Grenzen. Sie belastet die Kredit- und Versi­cherungswirtschaft mehr als sie der Industrie durch nie­drigere Finanzierungskosten nutzt.

Zudem ist Liquidität nicht gleich Liquidität. Bisher be­stand die Liquidität der Banken vor allem in Geld auf dem Konto der EZB. Das konnten sie jederzeit disponie­ren. Es gab sogar einen Druck, das Geld zu verwenden, denn die Banken mussten dafür Zinsen zahlen. In Zu­kunft heißt Liquidität nur noch, dass die Banken bei den Tendern bieten können und jeweils volle Zuteilung erhal­ten. Das ist ein Unterschied. Die Banken können nicht mehr so schnell agieren. Zudem haben sie das Geld je­weils nur für die Laufzeit des Tenders. Die Liquidität ist nicht mehr so liquide.

Für den Anleger

Auch in Europa wird Geld knapper. Selbst wenn die No­tenbank so marktschonend wie möglich vorgeht, wird die Volatilität der Märkte zunehmen. Für den längerfristigen Trend fragt sich, was an die Stelle der Liquiditätshausse tritt. In den USA sieht es so aus, als könnte es die bes­sere Konjunktur sein. Das wäre gut. In Europa ist davon noch nichts zu sehen. Hier könnten es die fundamenta­len Verbesserungen in den Peripherieländern sein, vo­rausgesetzt die Reformen werden weiter geführt. Das würde zwar unmittelbar nur den dortigen Börsen zugute kommen. Indirekt könnten freilich auch die Märkte in Zentraleuropa profitieren. Der Übergang von einer liqui­ditätsgetriebenen zu einer wie auch immer fundamental begründeten Rallye wird jedoch in jedem Fall holprig.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 6. Juni 2013 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem 'Europa - Die Macht von Morgen' (2006), 'Comeback für Deutschland' (2007), 'Achtung: Geld in Gefahr' (2008) und 'Rettet den Euro!' (2011).

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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