Reuters
Veröffentlicht am 16.10.2017 11:52
ANALYSE-"Made-in-Japan" nicht erst seit Skandal bei Kobe Steel angekratzt
- von Sam Nussey
Tokio (Reuters) - "Made-in-Japan" - das galt in der Industrie lange als Gütesiegel für Qualität und Zuverlässigkeit.
Während der Aufdruck "Made-in-China" eher an billige Kopien denken ließ, hatten sich japanische Hersteller einen Ruf aufgebaut. Eine ganze Reihe von Skandalen bei Industrieunternehmen brachten das Image in den vergangenen Jahren aber kräftig ins Wanken. Die jüngsten Produktdaten-Fälschungen beim japanischen Stahlkonzern Kobe Steel sind dabei nur ein Betrugsbeispiel von vielen - wenngleich es mit rund 500 belieferten Firmen in der Auto-, Luftfahrt- und Rüstungsindustrie weltweit für Aufregung sorgt.
Viel gerühmt wurde einst das "Keiretsu" genannte System der engen Verflechtung von Firmen. Jahrzehntelang waren japanische Unternehmen eingebettet in Überkreuzbeteiligungen und undurchsichtigen Verbindungen zu Lieferanten und Banken - Verträge waren dabei oft gar nicht nötig. Doch das System der trauten Absprachen erwies sich angesichts des härter werdenden Konkurrenzkampfs und des schärferen Gegenwinds auf dem schrumpfenden Heimatmarkt nicht als besonders krisenfest. "Der wachsende weltweite Wettbewerb hat japanische Hersteller dazu gezwungen, die Kosten zu senken, um effizienter zu sein. Gleichzeitig müssen sie eine oft schwer zu erreichende Produktionsquote schaffen", sagt Anwalt Motokazu Endo.
Die Folge sei, dass etwa die Autoproduzenten ihre Zulieferer kürzer hielten und auch weniger Zeit in die Überprüfung der angelieferten Produkte investierten, betont Roland Berger-Berater und Partner Hitoshi Kaise. Der nach den USA und China drittgrößten Volkswirtschaft der Welt setzen seit Jahren die zunehmende Marktmacht der asiatischen Nachbarn zu und die angesichts der schrumpfenden Bevölkerungszahlen schwächelnde Nachfrage auf dem Heimatmarkt. Dieser Druck habe die Wettbewerbsfähigkeit von Japans Firmen wohl immer weiter beschnitten, sagte Hideaki Miyajima, Experte für Unternehmensführung an der Waseda University.
Während andere asiatischen Länder - darunter auch China - ihre Qualitätsstandards nach und nach verbesserten, jagt in Japan ein Skandal den nächsten. Autobauer Nissan (T:7201) musste jeden in den vergangenen drei Jahren in Japan verkauften Neuwagen zurückrufen, weil Sicherheitskontrollen gefälscht wurden. Die Rivalen Mitsubishi (T:7211) und Suzuki (T:7269) gerieten durch manipulierte Tests zum Spritverbrauch in die Schlagzeilen. Der japanische Airbag-Hersteller Takata (T:7312) war Verursacher des weltweit größten Massenrückrufs in der Autoindustrie. Schon vor dem Luftkissen-Skandal erschütterte eine Rückrufserie den VW-Rivalen Toyota (T:7203). Das Konglomerat Toshiba (T:6502) hatte jahrelang seine Gewinne zu hoch ausgewiesen. Nachlässigkeiten lassen sich auch beim Energiekonzern Tepco verfolgen, der als Betreiber des havarierten Akws in Fukushima traurige Berühmtheit erlang.
Die Regierung versucht seit Jahren mit strikteren Unternehmensregeln gegenzusteuern. Viele Konzerne halten dessen ungeachtet aber an alten Praktiken fest, sagt Anwalt Nobuo Gohara, der nach dem Bilanzskandal bei Olympus im Jahr 2011 bei einer Unternehmensprüfung mitwirkte. "Viele dieser Probleme schlummern in den Fabrikhallen." Qualitätsexperte Hiroshi Osada von der Bunkyo University sieht daher vor allem eine Lösung: eine Unternehmenskultur schaffen, in der sich Arbeiter trauen, Bedenken zu äußern und ihrem Chef gegenüber auch mal "Nein!" zu sagen.
Geschrieben von: Reuters
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