Volkswirte wollen weniger 'Gießkanne' - Wolken am Konjunkturhimmel

dpa-AFX

Veröffentlicht am 25.06.2022 13:01

Aktualisiert 25.06.2022 13:15

NÜRNBERG (dpa-AFX) - Führende deutsche Volkswirte haben die Politik angesichts dunkler Wolken am konjunkturellen Horizont zu einer gezielteren Unterstützung bedürftiger Haushalte aufgefordert. Der Tankrabatt sei gescheitert und schon im Ansatz falsch gewesen. "Es wurde versucht, fossile Energieträger noch zu vergünstigen - mit mäßigem Erfolg. Man muss das bei denjenigen abfedern, die diese Härten nicht tragen können", sagte die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Auch Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank (ETR:DBKGn) Research und Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe forderten einen stärkeren Fokus für staatliche Hilfen. "Die Unterstützung für die bedürftigen Haushalte könnte noch gezielter ausfallen als zuletzt", sagte Schattenberg.

Insgesamt sei die konjunkturelle Situation schwierig. "Uns muss bewusst sein, dass die Energiepreise hoch bleiben und dass es eine Phase wird, die herausfordernd wird", sagte Grimm. "Den Menschen zu suggerieren, der Status quo könne erhalten bleiben, ist nicht richtig." Dies müsse nicht zwangsläufig eine Verschlechterung bedeuten.

Christoph Siebecke von der Oldenburgischen Landesbank sieht es ähnlich: "Die Firmen schauen derzeit noch in der Mehrheit positiv auf die Wirtschaft. Aber das Momentum geht eindeutig zurück", sagte er. Er sieht jedoch auch positive Aspekte. "Die Geschwindigkeit, mit der sich die deutsche Wirtschaft anpasst, ist erstaunlich", sagte er. Die Abhängigkeit von russischem Gas sei bereits spürbar zurückgefahren.

Allianz-Volkswirtin Utermöhl erklärte, auch auf Deutschland komme ein "Comeback der Insolvenzen" zu. "Die Zahl der Firmenpleiten wird von 2024 an deutlich steigen", sagte sie. "Auch hier erleben wir eine Zeitenwende. Ich habe den Eindruck, wir haben noch gar nicht begriffen, was sich alles ändert." Auch den Bürgern müsse bewusst sein, dass Energiesparen das Gebot der Stunde sein müsse. Die Senkung des Gasverbrauchs um einen Prozentpunkt bringe eine Bruttowertschöpfung von 2,5 Milliarden Euro und sichere 25 000 Arbeitsplätze, sagte sie.

Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen KfW-Gruppe, erklärte, es sei jetzt schon klar, dass mittelfristig weniger Gas zur Verfügung stehen werde - trotz aller Bemühungen. Und es werde teurer sein. Sollten auch die Lohnforderungen der Arbeitnehmer sehr hoch ausfallen und durchgesetzt werden können, drohe eine Lohn-Preis-Spirale - und eine mehrjährige Stagflation in Deutschland.

Befeuert wird diese Gefahr durch die Tendenz vieler Unternehmen, sich über erhöhte Bezahlung Personal auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt zu sichern. "Gerade die Tarifbereiche, in denen viele Beschäftigte unter 12 Euro verdienen, haben sich schon im Vorfeld auf Lohnanhebungen geeinigt, das hat man bei den Zeitarbeitsfirmen gesehen, das hat man im Gebäudereinigerhandwerk schon vor einigen Wochen gesehen", sagte Deutsche-Bank-Volkswirt Schattenberg. Mit seiner Kollegin Grimm ist er sich einig, dass dies geeignet sei, die Inflation weiter zu treiben. "Ich würde nicht sagen, dass wir schon in einer Lohn-Preis-Spirale sind. Aber das Risiko besteht", sagte die "Wirtschaftsweise".

Jetzt die App holen
Werden Sie Teil der größten Finanz-Community der Welt
Downloaden

Der Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen birgt hohe Risiken. Sie können Ihren Kapitaleinsatz vollständig oder teilweise verlieren. Die Kurse von Kryptowährungen sind extrem volatil und können von externen Faktoren wie finanziellen, regulatorischen oder politischen Ereignissen beeinflusst werden. Der Handel auf Margin erhöht das finanzielle Risiko.
Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie die mit dem Handel der Finanzinstrumente und/oder Kryptowährungen verbundenen Risiken vollständig verstanden haben und lassen Sie sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten, bevor Sie den Handel aufnehmen.
Fusion Media möchte Sie daran erinnern, dass die auf dieser Internetseite enthaltenen Kurse/Daten nicht unbedingt in Realtime oder genau sind. Alle Daten und Kurse werden nicht notwendigerweise von Börsen, sondern von Market-Makern bereitgestellt, so dass die Kurse möglicherweise nicht genau sind und vom tatsächlichen Marktpreis abweichen können, was bedeutet, dass die Kurse indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sind. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für etwaige Handelsverluste, die Ihnen durch die Verwendung dieser Daten entstehen könnten.
Es ist verboten, die auf dieser Website enthaltenen Daten ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenanbieters zu verwenden, zu speichern, zu reproduzieren, anzuzeigen, zu ändern, zu übertragen oder zu verteilen. Alle Rechte am geistigen Eigentum sind den Anbietern und/oder der Börse vorbehalten, die auf dieser Website enthaltenen Daten bereitstellen.
Fusion Media kann von den Werbetreibenden, die sich auf der Website befinden, anhand Ihrer Interaktion mit den Werbeanzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.

Abmelden
Sind Sie sicher, dass Sie sich abmelden möchten?
NeinJa
AbbrechenJa
Veränderung wird gespeichert