Goldpreis: Wo liegt der faire Wert?

Investing.com

Veröffentlicht am 23.01.2020 11:06

Aktualisiert 23.01.2020 11:17

Von Robert Zach

Der Goldpreis sprang Anfang des Jahres auf den höchsten Stand seit März 2013. Seit dem konsolidiert das gelbe Metall abwärts. Die Gründe dafür dürften weitgehend bekannt sein: der Jahresauftakt war geprägt von Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Im Zuge der hohen Risikoaversion spülte es das gelbe Metall nach oben. Warum? Die Anleger schlugen einfach eine Risikoprämie auf den Preis. In der Konsequenz schnellte Gold nach oben. Zur gleichen Zeit orientierten sich die Realzinsen in den USA wieder gen Nulllinie. Das lag in erster Linie an den steigenden US-Verbraucherpreisen im Zuge der höheren Energiepreise bei gleichbleibenden Zehnjahresrenditen. Als sich dann aber der Nahostkonflikt beruhigte, nahmen die Goldanleger regelrecht Reißaus. Der Goldpreis kollabierte binnen weniger Tagen um gut 75 US-Dollar, stabilisierte sich aber recht schnell wieder und zog zuletzt im Bereich von 1.550 bis 1.565 US-Dollar seine Bahnen. Vom Mehrjahreshoch (1.611,52 US-Dollar) bleibt das Gelbmetall allerdings deutlich entfernt.

Was braucht es, um den Goldpreis wieder nach oben zu katapultieren?

Definitiv wären anhaltend sinkende Realzinsen der passende Treibstoff für die nächste Gold-Rallye. Da die Federal Reserve aber wahrscheinlich in diesem Jahr nicht mehr an der Zinsschraube drehen wird, ist es fraglich, wie tief der hiesige Realzins noch fallen kann. Dafür nötig wäre eine leicht höhere Inflation bei gleichbleibenden nicht inflationsindexierten Anleihen(-renditen) mit gleicher Laufzeit (also 10 Jahre), gepaart mit einer stärkeren Verlangsamung der US-Konjunktur. Oder aber einem konstanten Verbraucherpreisindex in Kombination mit einer Wachstumsentschleunigung der US-Wirtschaft, was die Zehnjahresrendite wieder deutlicher nach unten drückt. Das würde den Realzins wieder unter die Nulllinie befördern und somit den Goldpreis anschieben.

Ob sich ein Inflationsschub in diesem Jahr einstellt, ist jedoch fraglich. Der begrenzte Rollback der Zölle auf China-Waren dürfte sich kaum auf die Inflation auswirken. Eine viel größere Auswirkung könnte da schon der Wechselkurs auf die Warenpreise ausüben. So deutet der handelsgewichtete Dollar (TWI) auf einen sanften Anstieg der importierten Inflation hin. Das Lohnwachstum bleibt aber insgesamt begrenzt, so dass nur sehr wenig dafür spricht, dass der Verbraucherpreisindex aus seiner bisherigen Range von 2 bis 2,5 Prozent ausbricht. Die PCE-Kernrate sollte somit weiterhin leicht unter dem Ziel der Fed (2 Prozent) bleiben.

Etwas gutes hat es ja, wenn die Inflation niedrig bleibt: die US-Notenbank wird so schnell die Zinsen nicht erhöhen und damit den Goldpreis auch in den nächsten Monaten vor einem größeren Preisrutsch bewahren.

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Wachstumstechnisch mehreren sich die Anzeichen in den USA auf eine Belebung. Der von Markit erhobene Sammelindex zieht kräftig nach oben und der ISM-Dienstleistungen zeigt nach einem längeren Abwärtspfad auch wieder nordwärts. Sorgen bereitet weiterhin das verarbeitende Gewerbe. Hier befindet sich der ISM-Index noch auf ungebremster Talfahrt, aber die regionalen Umfragen der Fed (z.B. der Philly-Fed-Index) geben Anlass zur Hoffnung, insbesondere beim Blick auf die Geschäftserwartungen und den Unternehmensinvestitionen. Belasten dürfte die Industrie zum Jahresanfang aber weiterhin der Produktionsstillstand der Boeing (NYSE:BA) 737 MAX.

Einen positiven Wachstumseffekt dürfte auch der Konsum auf die US-Wirtschaft haben. Schließlich wachsen die real verfügbaren Einkommen weiterhin in einem recht soliden Tempo und das Uni-Michigan Verbrauchervertrauen hat sich wieder auf die Hochs von vor fünfzehn Jahren aufgeschwungen.

Unter der Voraussetzung, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie der Europäischen Union im Laufenden Jahr nicht eskaliert, was sicherlich keine ausgemachte Sache ist, dürfte die US-Wirtschaft in einem soliden Tempo wachsen, was die Zehnjahresrendite auf dem aktuellen Niveau stabilisieren dürfte.

Eine gute Orientierung

Die Analysten von JP Morgan schrieben letztes Jahr in ihrem vierteljährlichen Metallausblick, dass "jede 25-Basispunkte-Bewegung in den USA bei den realen Zehnjahresrenditen dazu führen sollte, dass sich die Goldpreise um 80 Dollar je Feinunze in die jeweils entgegengesetzte Richtung bewegen."

Damals bewertete JP Morgan den Goldpreis bei einer Realrendite von 12 Basispunkten mit 1.506 Dollar als fair bewertet. Heute, wo die Realrendite bei 4 Basispunkten steht, resultiert daraus ein fairer Gold-Wert von 1.534 Dollar je Feinunze.

Damit haben Anleger, die ein Engagement in Gold planen, zumindest eine Orientierung an der Hand. Freilich gilt es die Einflüsse geopolitischer Krisen nicht gänzlich auszublenden, aber schlussendlich hängt der Goldpreis am Tropf des Realzinses in den USA. Deshalb mein Rat an Sie: schauen Sie sich die inflationsbereinigten Renditen in den USA an, sofern sie eine langfristige Position in Gold aufbauen wollen.

Sobald sie sich eine Meinung gebildet haben, wenden Sie die von JPM genannte Faustformel an und richten Sie dementsprechend Ihre Kursziele aus.

Technische Analyse für den Ein- und Ausstieg

Als Timing-Instrument zum Ein- und Ausstieg können Sie die technische Analyse nutzen. Mir persönlich hat die Erfahrung gezeigt, dass die Kombination aus fundamentaler und technischer Analyse die besten Ergebnisse liefert. Schließlich möchte ich auch auf der Grundlage der wirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen, warum ich gerade jetzt den Goldpreis kaufen oder verkaufen will und welche Parameter sich ändern müssten, damit ich meine Meinung zum gelben Metall entsprechend anpasse.

Und wenn wir schon bei der Technik sind: kurzfristig bin ich für den Goldpreis negativ eingestellt. Das liegt in erster Linie an der immer noch recht hohen spekulativen Longposition, aber auch dem leicht rückläufigen Open Interest sowie dem starken Volumenanstieg am 8. Januar. Zugleich weisen die quantitativen Indikatoren MACD und RSI eine negative Konstellation aus. Auf dieser Grundlage gehe ich ab Anfang Februar (es kann auch früher passieren) von einer vier- bis sechswöchigen Korrektur bei Gold aus, die den Goldpreis auf 1) 1.536/33 und dann 2). 1.522 Dollar befördern dürfte. Im Extremfall kann es auch nach unten auf 1.511 Dollar gehen. Spätestens hier würde ich aber über das Schließen der Shortposition nachdenken, auch mit Blick auf das Fair-Value-Modell von JPM. Ein Unterschießen auf 1.480/82 US-Dollar kann freilich nicht ausgeschlossen werden.

Einzig ein rascher Wiederanstieg über das jüngste Hoch bei 1.568 Dollar könnte meiner Meinung nach das derzeit schiefe Gold-Chartbild wieder etwas verbessern. Danach besteht Aufwärtspotenzial auf den kurzfristigen Schlüsselwiderstand bei 1.585 US-Dollar, der als Übergangspunkt auf das Mehrjahreshoch bei 1.611,52 US-Dollar gilt.

Fazit:

Kurzfristig wäre ich mit Long-Engagements in Gold extrem vorsichtig. Ein Washout, aus welchem Grund auch immer, sei es jetzt ein kurzfristig weiter aufhellendes Wachstumsbild durch anhaltend solide Stimmungsindikatoren oder ein stärkerer US-Dollar, könnte jederzeit zu einer Liquidierung der Long-Bestände der Großspekulanten führen. Langfristig, also über die nächsten Jahre hinweg, sind wir glaube ich aller einer Meinung, dass der Goldpreis sein Rekordhoch jenseits von 1.900 US-Dollar anlaufen und vielleicht überspringen wird. Warum?

Zum einen wegen des Verschuldungsproblems, das noch extremere Ausmaße annehmen könnte als bisher, schließlich sagte US-Präsident Donald Trump bei der Unterzeichnungszeremonie des Phase 1-Deals, dass man neue Steuersenkungen plant. Diese werden sich aber nur realisieren lassen, wenn das Zinsniveau niedrig bleibt oder weiter abgesenkt wird.

Zudem hat Trump vor Kurzem die geldpolitischen Tauben Judy Shelton and Christopher Waller für zwei freie Sitze im Fed-Vorstand nominiert. Gelingt es dem Präsidenten zum einen seine Wiederwahl im November zu sichern und die beiden Kandidaten für die Fed durch den Senat zu boxen, so könnte einer von beiden Powell im Jahr 2022 ersetzen, was den Weg für weitere Zinssenkungen in den USA ebnen dürfte und damit auch eine größere Goldpreis-Rallye lostreten könnte.

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