Reuters
Veröffentlicht am 20.11.2017 15:35
Steinmeier lehnt Neuwahlen nach Scheitern von "Jamaika" ab
Berlin (Reuters) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen rasche Neuwahlen abgelehnt und die Parteien an ihre Verantwortung zur Regierungsbildung erinnert.
"Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten", sagte das Staatsoberhaupt am Montagnachmittag nach einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Parteien im Bundestag seien dem Gemeinwohl verpflichtet. Steinmeier redete damit auch seiner eigenen Partei ins Gewissen, nachdem SPD-Chef Martin Schulz eine Neuauflage der großen Koalition mit der Union abgelehnt hatte.
Die Wähler sollten die Lage nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen neu bewerten können, sagte Schulz in der SPD-Parteizentrale und fügte hinzu: "Wir scheuen Neuwahlen nicht." Dagegen erklärte Steinmeier wenig später: "Ich erwarte von allen Gesprächsbereitschaft, um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit möglich zu machen." Die Parteien hätten sich in der Wahl am 24. September um die Verantwortung für Deutschland beworben. Diese könne man auch nach der Vorstellung des Grundgesetzes nicht einfach an die Wähler zurückgeben. "Diese Verantwortung geht weit über die eigenen Interessen hinaus und gilt insbesondere nicht nur gegenüber den Wählern der jeweils eigenen Partei." Steinmeier kündigte sowohl Gespräche mit den Vorsitzenden von CDU, CSU, FDP und Grünen an, als auch von Parteien, die "programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen". Die Grünen sind nach Angaben von Parteichef Cem Özdemir am Dienstag zu einem Gespräch bei Steinmeier eingeladen.
Die CDU-Spitze stellte sich unterdessen hinter Merkel, die geschäftsführend weiter die Regierung führt. Im Bundesvorstand der CDU gebe es breite Rückendeckung für Merkel, sagte Vizeparteichef und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte Merkels Willen als Kanzlerin, Deutschland gut durch schwierige Zeiten zu führen.
Als theoretische Optionen steht neben Neuwahlen und der von der SPD ausgeschlossenen Wiederauflage der großen Koalition nur eine Minderheitsregierung im Raum.
"SCHLECHT INSZENIERTES THEATER"
Im Fokus der Kritik stand zunächst die FDP. Dass die Liberalen kurz vor einer Einigung abgesprungen seien, habe mehr als nur eine Person verwundert, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner dem SWR. Auch Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner äußerte den Verdacht, die FDP habe die Verhandlungen aus Kalkül scheitern lassen. Er warf den Liberalen im ZDF ein "schlecht inszeniertes Theater" vor. Dagegen verteidigte FDP-Chef Christian Lindner den Abbruch der Gespräche. "Wir haben viele Kompromisse gemacht. Es gibt aber auch einen Kern von Grundüberzeugungen", sagte er. Man wisse um die schwierige Lage Deutschlands. Wenn es zu Neuwahlen komme, habe die SPD die Schuld, da sie sich Koalitionsgesprächen verweigere.
Ihr Ausstieg aus den Sondierungen wird den Liberalen nach Einschätzung von Parteien- und Meinungsforschern politisch nicht nützen. "Die FDP hat die Erwartungen etwa des Mittelstands nicht erfüllt, der sie gewählt hat", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner zu Reuters.
Die Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht begrüßte das Ende des "Trauerspiels" der Jamaika-Sondierungen. Neuwahlen würden aber nur neue Mehrheiten bringen, wenn sich Union und SPD personell und inhaltlich neu aufstellten. Die AfD sieht sich durch die jüngsten Entwicklungen im Aufwind. "Wir finden es gut, dass es nicht zur Jamaika-Koalition kommt", sagte Fraktionschef Alexander Gauland und wertete das Scheitern der Sondierungen auch als Zeichen des wachsenden Einflusses seiner Partei. "Frau Merkel ist gescheitert, und es wird Zeit, dass sie als Bundeskanzlerin geht."
ENTTÄUSCHUNG BEI DER WIRTSCHAFT, BESORGNIS IM AUSLAND
Im Ausland wurde das Ende der Jamaika-Gespräche mit Beunruhigung aufgenommen. "Das ist eine schlechte Nachricht für Europa, dass die Regierungsbildung etwas länger dauern wird", sagte der niederländische Außenminister Halbe Ziljstra in Brüssel. "Deutschland ist innerhalb der EU sehr einflussreich, hat aber ohne Regierung kein Mandat und wird sich sehr schwer tun, Positionen zu beziehen." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, es sei nicht im französischen Interesse, wenn die Koalitionsgespräche nicht vorankämen.[nL8N1NQ30H]
Aus der Wirtschaft kamen besorgte Reaktionen. DIHK–Präsident Eric Schweitzer beklagte: "Für die deutsche Wirtschaft ist das Scheitern der Sondierungsgespräche eine Enttäuschung." Damit würden Chancen für sachgerechte Lösungen verpasst.
Die Börsen überwanden den ersten Schreck über den Abbruch der Verhandlungen rasch. Dax und EuroStoxx50 drehten nach anfänglichen Verlusten ins Plus. Der Euro kostete mit 1,1780 Dollar wieder ungefähr so viel wie vor dem Abbruch der Gespräche von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition.
Geschrieben von: Reuters
Der Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen birgt hohe Risiken. Sie können Ihren Kapitaleinsatz vollständig oder teilweise verlieren. Die Kurse von Kryptowährungen sind extrem volatil und können von externen Faktoren wie finanziellen, regulatorischen oder politischen Ereignissen beeinflusst werden. Der Handel auf Margin erhöht das finanzielle Risiko.
Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie die mit dem Handel der Finanzinstrumente und/oder Kryptowährungen verbundenen Risiken vollständig verstanden haben und lassen Sie sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten, bevor Sie den Handel aufnehmen.
Fusion Media möchte Sie daran erinnern, dass die auf dieser Internetseite enthaltenen Kurse/Daten nicht unbedingt in Realtime oder genau sind. Alle Daten und Kurse werden nicht notwendigerweise von Börsen, sondern von Market-Makern bereitgestellt, so dass die Kurse möglicherweise nicht genau sind und vom tatsächlichen Marktpreis abweichen können, was bedeutet, dass die Kurse indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sind. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für etwaige Handelsverluste, die Ihnen durch die Verwendung dieser Daten entstehen könnten.
Es ist verboten, die auf dieser Website enthaltenen Daten ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenanbieters zu verwenden, zu speichern, zu reproduzieren, anzuzeigen, zu ändern, zu übertragen oder zu verteilen. Alle Rechte am geistigen Eigentum sind den Anbietern und/oder der Börse vorbehalten, die auf dieser Website enthaltenen Daten bereitstellen.
Fusion Media kann von den Werbetreibenden, die sich auf der Website befinden, anhand Ihrer Interaktion mit den Werbeanzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.