Nach Abschiebung von Sami A. Behörden in der Kritik

Reuters

Veröffentlicht am 16.07.2018 11:35

Nach Abschiebung von Sami A. Behörden in der Kritik

Berlin (Reuters) - Nach der unrechtmäßigen Abschiebung des mutmaßlichen früheren Bin-Laden-Leibwächters Sami A. nach Tunesien sehen sich die Behörden dem Verdacht einer Missachtung von Gerichtsurteilen ausgesetzt.

"Entweder handelt es sich um ein absolut peinliches Chaos, oder es stinkt zum Himmel, weil die Innenbehörden ein Exempel statuieren wollten", sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck der "Süddeutschen Zeitung" vom Montag. Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stefan Liebich, sagte im Deutschlandfunk, Recht und Gesetz müssten auch für einen möglichen Gefährder gelten. Die Leitung des Innenministeriums war schon frühzeitig über den Termin für die Abschiebung informiert.

Sami A. war am Freitag per Charterflug von Düsseldorf in sein Heimatland abgeschoben worden. Am Donnerstagabend hatte jedoch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass der Mann nicht abgeschoben werden dürfe, weil ihm in Tunesien Folter drohe. Der Beschluss ging jedoch erst am Freitagmorgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und den anderen Behörden ein. Sami A. befand sich da schon längst auf dem Flug. Das Verwaltungsgericht hat die Abschiebung als "grob rechtswidrig" bezeichnet und die unverzügliche Rückholung des Mannes angeordnet. Das Integrationsministerium in Nordrhein-Westfalen und die Ausländerbehörde wollen dagegen jedoch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Zudem will Tunesien Sami A. nicht mehr herausgeben.

Das Verwaltungsgericht beklagt, es sei von den Behörden über den Abschiebungstermin im Unklaren gelassen worden. Es sieht sich von ihnen gar hinters Licht geführt. So hatte das Bamf laut einem Sprecher mitgeteilt, ein für Donnerstag geplanter Flug sei storniert worden. Seinem Gericht sei aber nicht mitgeteilt worden, dass es einen Termin für Freitag gegeben habe. Der Sprecher hatte betont, hätte das Gericht davon gewusst, hätte es früher eine Entscheidung getroffen, etwa in Form eines Zwischenbeschlusses.

"FOLTER IST FÜR UNS EINE ROTE LINIE"

Habeck sagte: "Im Rechtsstaat gelten geordnete Verfahren. Die Frage ist, warum die Innenbehörden mit dieser Ordnung gebrochen haben." Vor allem sei zu klären, ob Innenminister Horst Seehofer in Person versucht habe, Recht zu beugen und die Gerichtsentscheidung umgehen zu lassen. Seehofer war nach Angaben einer Sprecherin am Freitag nach der Übergabe von Sami A. an die tunesischen Behörden über die Rückführung unterrichtet worden. Der CSU-Chef hat in den vergangenen Monaten öffentlich mehrfach erklärt, er wolle sich persönlich um den Fall kümmern.