Reuters
Veröffentlicht am 16.07.2018 12:23
Schwierige Umsetzung von Seehofers "Masterplan"
- von Thorsten Severin
Berlin (Reuters) - Bundesinnenminister Horst Seehofer hat angekündigt, sein "Masterplan Migration" solle "Schritt für Schritt" umgesetzt werden - dafür sei es "höchste Zeit".
Es könne sein, dass der Abschluss des Masterplans und das Ende seiner Amtsperiode nicht zusammenfielen. "Ich weiß noch nicht, was länger dauert", sagte er vor wenigen Tagen bei der Präsentation des Plans. Viele der 63 Punkte gehen ohne Gesetze, andere erfordern Absprachen in Regierung und Koalition oder auch mit den Bundesländern sowie anderen Staaten. Die Umsetzung ist daher ungewiss.
Zwei Punkte hat Seehofer bereits in Angriff genommen. So habe die SPD zugebilligt, die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien sowie Georgien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Der Gesetzentwurf solle nun bald ins Kabinett kommen. Danach käme der Bundestag dran, doch im Bundesrat zeichnet sich für das Vorhaben keine Mehrheit ab, vor allem wegen des Widerstands der Grünen. Darüber hinaus hat Seehofer nach eigenen Worten einen Gesetzentwurf gebilligt, um eine Mitwirkungspflicht von anerkannten Asylbewerbern festzuschreiben, deren Asylbescheid widerrufen oder zurückgenommen werden soll. Um die Rechtslage zu ändern, hat er nach eigenen Angaben grünes Licht der Fachpolitiker der SPD.
Eher eine Entscheidung der Regierung ist die im Masterplan vorgesehene bessere Unterstützung von Herkunftsländern mit Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Beschäftigung. Auch die Einrichtung von Beratungs- und Betreuungszentren, die unter anderem über die Gefahren der illegalen Migration sowie Möglichkeiten einer legalen Zuwanderung nach Deutschland und Europa informieren sollen, kann ohne Gesetze in Deutschland geschehen - ebenso die finanzielle Unterstützung von Transitländern und die Einrichtung "sicherer Orte" dort. Aber andere Regierungen müssten ins Boot geholt werden.
Auf europäischer Ebene muss über die angepeilte Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex, den Aufbau einer europäischen Grenzpolizei und die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems gesprochen werden, was bereits geschieht.
ASYLZENTREN ERSTMAL OHNE NEUE GESETZE
Was die Maßnahmen im Inland betrifft, so braucht es für die Fortführung der Kontrollen an den Binnengrenzen "im erforderlichen Umfang" keine Rechtsänderungen. Auch die geplanten neuen Asyleinrichtungen ("Anker-Zentren") sollen zunächst ohne neue Gesetze eingeführt werden. Die Zentren sollen schnelle, effiziente und sichere Asylverfahren ermöglichen, indem alle Behörden zusammenwirken. Dennoch müssen die Bundesländer bei den "Anker-Zentren" mitspielen, auch wenn diese Bestandteil des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD sind. Seehofer führt dazu bereits Gespräche. Der Teufel steckt aber im Detail.
"Transitzentren", wie sie im Masterplan stehen, wird die SPD nicht mitmachen. Die Koalition hat sich eigentlich auf "Transitverfahren" in "bestehenden Einrichtungen" der Bundespolizei in Grenznähe verständigt. Die Beschlüsse hat Seehofer allerdings nicht in seinen "Masterplan" aufgenommen.
Für die Zurückweisung von Personen, die in anderen EU-Staaten schon einen Asylantrag gestellt haben, soll es Abkommen mit den betreffenden Ländern geben. Darüber besteht Konsens in der Koalition. Seehofer muss diese Abkommen aushandeln. Einen Versuch unternahm er jüngst beim EU-Ministertreffen in Innsbruck.
OPTIMIERUNG DER PROZESSE
Vorgesehen sind im Plan auch Qualitätssteigerungen im Asylverfahren, wozu etwa die Optimierung der Prozesse im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gehören. Hier hat Seehofer mit dem Umbau der Behörde schon begonnen.
Bei Heimataufenthalten im laufenden Asylverfahren soll der Antrag als zurückgenommen gelten. Dies ist bereits jetzt im Asylrecht möglich, eine Gesetzesänderung ist laut Innenministerium also nicht nötig.
Auch das Prinzip "Sach- vor Geldleistungen" gilt bereits jetzt in Aufnahmeeinrichtungen, so dass keine neuen Paragrafen erforderlich sind. Seehofer ist aber von den Ländern abhängig, wie sehr sie dieses Prinzip beherzigen, da sie für die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständig sind. Für die Anker-Zentren könnte der Bund mit den Ländern dazu Vereinbarungen treffen.
Besonders schwierig wird es bei den weiteren geplanten Verschärfungen, die Gesetzesänderungen erfordern. Denn hier muss die SPD mitmachen, je nach Ausgestaltung zum Teil auch der Bundesrat. So soll die Bezugsdauer von niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz etwa von 15 auf 36 Monate verlängert werden. Hier wäre das SPD-geführte Arbeitsministerium federführend. Um mehr Personen in Abschiebehaft zu nehmen, will der Minister vorübergehend die Trennung zwischen Abschiebehäftlingen und anderen Häftlingen aufheben. Auch soll es eine "klare Pflicht zur Passbeschaffung" im Aufenthaltsgesetz geben, bei der staatliche Erlaubnisse und Leistungen an das Vorliegen von gültigen Reisedokumenten geknüpft werden.
Allenfalls eine "klarstellende Gesetzesänderung" ist laut Ministerium notwendig, um bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten etwa bei der Klärung der Identität oder der Staatsangehörigkeit Sanktionen einzuführen. Doch auch hier ist es für Seehofer nicht so einfach, denn am Ende müssen die Länder die Sanktionen aussprechen.
Geschrieben von: Reuters
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