Reuters
Veröffentlicht am 24.07.2017 07:35
Kartellvorwürfe bringen Autobranche in Erklärungsnot
Berlin/München (Reuters) - Die deutsche Autobranche steht nach Vorwürfen zu jahrzehntelangen rechtswidrigen Absprachen untereinander mit dem Rücken zur Wand.
Die EU-Kommission zeigte sich alarmiert und prüft den Kartellverdacht. Experten zufolge drohen den Firmen neue Strafen in Milliarden-Höhe - vom Imageschaden ganz zu schweigen. Die Branche ist wegen der Manipulation von Abgaswerten ohnehin schon unter Druck. Die Bundesregierung verlangte von den Firmen, für mehr Transparenz zu sorgen. Die Politik steht aber selbst in der Kritik, zu nachsichtig mit der Autobranche umzugehen.
Dem Magazin "Der Spiegel" zufolge haben sich die fünf führenden Marken - VW (DE:VOWG), Audi, Porsche (DE:PSHG_p), BMW (DE:BMWG) und Mercedes-Benz - seit den 90er-Jahren in geheimen Zirkeln über die Technik ihrer Fahrzeuge, über Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgesprochen. Der "Spiegel" beruft sich auf einen Schriftsatz, den VW bei den Wettbewerbsbehörden eingereicht haben soll. Dieser sei eine Art Selbstanzeige.
Treffen die Vorwürfe zu, könnte es sich um eines der größten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte handeln. Die EU-Kommission teilte mit, sie und das Bundeskartellamt hätten Informationen zu dem Fall erhalten und würden diesen nachgehen. Es sei aber noch zu früh, um weitere Angaben zu machen. Laut "Spiegel" hat die Kommission bei den beteiligten Unternehmen bereits Unterlagen beschlagnahmt und erste Zeugen befragt.
"SUPER-GAU FÜR DIE GLAUBWÜRDIGKEIT"
Experten wie Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach sprachen von einem "Super-Gau für die Glaubwürdigkeit" der Branche. Die Anschuldigungen kämen angesichts der Diskussion über Diesel-Fahrverbote in Städten, Nachrüstungen von Diesel-Fahrzeugen und rückläufigen Diesel-Neuzulassungen zur Unzeit. Er gab der Politik eine Mitschuld - wegen der "Kultur des Wegschauens". Die Bevölkerung habe den Eindruck, Gesundheitsinteressen würden geringer bewertet als die Interessen der Industrie. Ähnlich äußerte sich Ferdinand Dudenhöffer: Es sei in Deutschland alles getan worden, um die Autobranche und die Schlüsseltechnik Diesel zu schützen, sagte der Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen dem MDR. "Und erreicht hat man genau das Gegenteil."
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte, Absprachen wären eine zusätzliche Belastung für die Branche. "Die Kartellbehörden müssen ermitteln, die Vorwürfe detailliert untersuchen und gegebenenfalls notwendige Konsequenzen ziehen", so der CSU-Politiker. Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte Aufklärung: "Wenn sich die Kartellvorwürfe bestätigen sollten, wäre das ein ungeheuerlicher Vorgang. Es wäre ein gigantischer Betrug zulasten der Kunden und der oftmals mittelständischen Zulieferunternehmen", so Schulz. In diesem Fall müssten die verantwortlichen Manager die Konsequenzen tragen.
BMW wies den Verdacht wettbewerbswidriger Absprachen bei der Abgasreinigung zurück. "Diskussionen mit anderen Herstellern über AdBlue-Behälter zielten aus Sicht der BMW Group auf den notwendigen Aufbau einer Betankungsinfrastruktur in Europa ab. Wir suchen auch in der Abgasreinigung den Wettbewerb." Die von BMW eingesetzte Technologie unterscheide sich deutlich von anderen im Markt. Laut "Spiegel" haben sich die Hersteller über die Größe der Tanks für das Harnstoffgemisch AdBlue abgesprochen. Es wird gebraucht, um Stickoxide zu neutralisieren. Aus Kostengründen hätten sie sich auf kleine Tanks verständigt. Doch diese reichten nicht mehr für strengere Abgaswerte aus, deshalb hätten die Firmen getrickst.
Zu den anderen Vorwürfen in dem "Spiegel"-Artikel wollte sich BMW nicht äußern. "Wir wissen nichts von Ermittlungen gegen uns", sagte ein Konzernsprecher lediglich. Die anderen betroffenen Unternehmen mauerten: "Zu Spekulationen und Sachverhaltsvermutungen auf Grundlage der Spiegel-Berichterstattung äußern wir uns nicht", sagte etwa Volkswagen-Chef Matthias Müller der "Rheinischen Post". Daimler (DE:DAIGn) teilte dem "Spiegel" mit, sich grundsätzlich nicht zu Spekulationen äußern zu wollen. Der Autobauer hat dem Magazin zufolge ebenfalls eine Art Selbstanzeige eingereicht.
RÜCKRUFAKTIONEN VOR DIESEL-GIPFEL
Anfang August treffen sich Politik und Industrie zum Diesel-Gipfel. Daimler und Audi haben bereits massive Rückrufaktionen angekündigt, um den Stickoxid-Ausstoß ihrer Dieselautos per Software-Update zu reduzieren.[nL5N1K95GX][nFWN1KC07S] BMW will anders als die Konkurrenz Fahrzeuge mit der aktuellen Abgasnorm Euro 6 nicht nachrüsten. Die von BMW eingesetzte Technologie unterscheide sich deutlich von anderen im Markt, erklärten die Münchner. Bei geeigneten Pkw der älteren Abgasnorm Euro 5 plant BMW ein Software-Update.
VW-Chef Müller sagte, es sei bei angemessenen Vorlaufzeiten durchaus vorstellbar, dass es einen verbindlichen Termin für den Ausstieg aus dem Diesel-Antrieb geben könne, sollte die Branche im Gegenzug Unterstützung bei der Elektromobilität bekommen. "Wir sind darüber im Gespräch mit der Politik." Es brauche ansonsten eine verbesserte Infrastruktur. "Jeder weiß, dass die Zukunft elektrisch fährt." Beim Diesel-Gipfel müsse es eine Lösung auf Bundesebene geben, die für alle Kunden verbindlich sei.
Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska schrieb in einem Brief an die Verkehrsminister der EU-Staaten, ein Zusammenbruch des Diesel-Marktes in Folge von Fahrverboten der Kommunen müsse verhindert werden. Das würde nur die Möglichkeiten der Unternehmen schmälern, in saubere Technologien zu investieren. Sollte es dennoch zu Fahrverboten kommen, müssten überall gleiche Regeln gelten.
Inzwischen denken immer mehr Auto-Hersteller laut über Alternativen zum Diesel nach. Nach Ansicht von Dobrindt wird es den Diesel als Übergangstechnologie aber noch viele Jahre geben. "Wir brauchen ihn auch, um die Klimaschutzziele bei der CO2-Einsparung zu erreichen", sagte er dem "Focus".
Geschrieben von: Reuters
Der Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen birgt hohe Risiken. Sie können Ihren Kapitaleinsatz vollständig oder teilweise verlieren. Die Kurse von Kryptowährungen sind extrem volatil und können von externen Faktoren wie finanziellen, regulatorischen oder politischen Ereignissen beeinflusst werden. Der Handel auf Margin erhöht das finanzielle Risiko.
Stellen Sie unbedingt sicher, dass Sie die mit dem Handel der Finanzinstrumente und/oder Kryptowährungen verbundenen Risiken vollständig verstanden haben und lassen Sie sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten, bevor Sie den Handel aufnehmen.
Fusion Media möchte Sie daran erinnern, dass die auf dieser Internetseite enthaltenen Kurse/Daten nicht unbedingt in Realtime oder genau sind. Alle Daten und Kurse werden nicht notwendigerweise von Börsen, sondern von Market-Makern bereitgestellt, so dass die Kurse möglicherweise nicht genau sind und vom tatsächlichen Marktpreis abweichen können, was bedeutet, dass die Kurse indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sind. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für etwaige Handelsverluste, die Ihnen durch die Verwendung dieser Daten entstehen könnten.
Es ist verboten, die auf dieser Website enthaltenen Daten ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenanbieters zu verwenden, zu speichern, zu reproduzieren, anzuzeigen, zu ändern, zu übertragen oder zu verteilen. Alle Rechte am geistigen Eigentum sind den Anbietern und/oder der Börse vorbehalten, die auf dieser Website enthaltenen Daten bereitstellen.
Fusion Media kann von den Werbetreibenden, die sich auf der Website befinden, anhand Ihrer Interaktion mit den Werbeanzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.