INTERVIEW-SAP will Mitarbeitern künftig keine Noten mehr geben

Reuters

Veröffentlicht am 14.08.2016 10:37

INTERVIEW-SAP will Mitarbeitern künftig keine Noten mehr geben

- von Ilona Wissenbach und Harro Ten Wolde

Frankfurt (Reuters) - Der Softwareriese SAP (DE:SAPG) hat sich wegen des wachsenden Tempos im Arbeitsalltag zu einer radikalen Abkehr von einer gängigen Methode der Personalführung entschlossen: Ab 2017 soll es keine jährlichen Benotungen mehr geben, von denen leistungsbezogene Gehaltsanteile abhängen.

"Die bisherigen Ratings haben mehr Unzufriedenheit geschürt als sie Positives gebracht haben", sagte der Personalchef von SAP Deutschland, Wolfgang Fassnacht, in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Dass ausgerechnet SAP von dem Notensystem abkommt, ist bemerkenswert: Denn die US-Tochter Success Factors bietet genau dazu eine Software an. Seit Februar wird diese auch in einer Version ohne Benotung verkauft.

Bei SAP laufen Mitarbeitergespräche, oft wegen ihres angelsächsischen Ursprungs auch Appraisals genannt, wie bei vielen Unternehmen ab. Zu Jahresbeginn werden Ziele vereinbart, im Sommer wird nachgehakt und kurz vor Weihnachten abgerechnet. Wie gut jemand gearbeitet hat, bewertet der Manager nach einer fünfstufigen Bewertungsskala - etwa von "ungenügende Leistung" über "erfolgreiche Leistung" bis zu "außergewöhnliche Leistung". Die Mitarbeiter seien zwar für kritisches Feedback offen - aber nur bis zu dem Moment, wenn eine Note erteilt werde, erläuterte Fassnacht. "Dann geht der Rollladen runter, dann wird es nicht mehr angenommen. Alles, was ich vorher an konstruktivem Dialog hatte, geht unter."

Nach einer Umfrage vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nutzen in Deutschland gut 70 Prozent der Unternehmen Mitarbeitergespräche zur Personalentwicklung. Eine Leistungsbeurteilung gibt es in sechs von zehn Betrieben. Das System erlebte seinen Durchbruch in den 80er Jahren, als der US-Konzern General Electric (NYSE:GE) die Noten einführte. Der damalige GE-Chef Jack Welch nutzte das Raster, um die mit dem schlechtesten Rating zu feuern.

Inzwischen gehört GE zu den US-Firmen, die von der oft als bürokratisch empfundenen Pflichtübung abgehen. Auch Microsoft (NASDAQ:MSFT), Adobe und das Beratungsunternehmen Accenture schwenkten um. "Ich treffe viele Personalleiter von anderen Firmen. Das Thema treibt alle um im Moment", sagte Fassnacht. Auch die Unternehmensberatung PwC fand durch Befragungen von Unternehmen in den Niederlanden, Großbritannien und Australien heraus, dass Noten die Beschäftigten demotivieren können. Nur 45 Prozent der Firmen gaben an, dass die Verknüpfung von Noten mit finanzieller Belohnung zur Leistung anspornt. Rund ein Drittel stellte fest, dass die Bewertung für Zwist in der Teamarbeit sorgte.

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