Erleichterung und Frust über Aufspaltung von Air Berlin

Reuters

Veröffentlicht am 22.09.2017 16:24

Erleichterung und Frust über Aufspaltung von Air Berlin

- von Ilona Wissenbach und Klaus Lauer und Victoria Bryan

Berlin/Frankfurt/Wien (Reuters) - Die absehbare Übernahme von Air Berlin durch die Lufthansa (DE:LHAG) und andere Fluggesellschaften lässt die Beschäftigten der Pleite-Airline auf Weiterbeschäftigung hoffen.

Es sei ein gutes Zeichen, dass die möglichen Käufer Lufthansa, Easyjet (LON:EZJ) und Condor Firmen mit guten Tarifverträgen seien, erklärte Verdi-Vorstand Christine Behle am Freitag. "Wir erwarten jetzt, dass diese Unternehmen Verantwortung für die Beschäftigten von Air Berlin übernehmen und ihnen gute Zukunftsperspektiven bieten." Ein Sprecher der Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) begrüßte, dass wohl mit Lufthansa und Easyjet bewährte Tarifpartner zum Zug kämen. Air Berlin hatte bekannt gegeben, bis 12. Oktober mit den beiden Airlines zu verhandeln, um ein oder mehrere Abschlüsse zu schaffen. Insidern zufolge ist auch Condor noch im Rennen. Am Montag will Air Berlin über den Stand der Gespräche informieren.

Es wird aber noch länger dauern, bis für die mehr als 8000 Beschäftigten der zweitgrößten deutschen Airline Klarheit herrscht, ob und zu welchen Bedingungen sie weiterarbeiten können. In verhandlungsnahen Kreisen hieß es, Massenentlassungen in den nächsten Wochen könnten abgewendet werden. "Das vorgeschlagene Modell kann bis zu 4000 Arbeitnehmern die Beschäftigung sichern. Da ist Technik noch nicht mit drin", sagte ein Insider. Die Piloten-Gewerkschaft VC setzt darauf, dass alle gut 1300 Flugzeuglenker unterkommen. Es sei eine gute Ausgangslage, mit Lufthansa und Easyjet zu sprechen, da die deutschen Tarifverträge dort geübte Praxis seien, sagte VC-Sprecher Markus Wahl. Aber die Übergangsregeln blieben knifflig. "Das werden komplexe Gespräche", sagte er.

NAHLES SAGT BESCHÄFTIGTEN HILFE ZU

Von den 1600 Mitarbeitern in der Verwaltung könnten Hunderte am Hauptsitz Berlin auf Stellen in der Landesverwaltung wechseln, wie Senatskanzleichef Björn Böhning der "Berliner Morgenpost" sagte. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sagte Hilfe zu. "Wenn bei einer Übernahme von Air Berlin Entlassungen nicht vermieden werden können, ist eine Transfergesellschaft eine sinnvolle Möglichkeit, den Beschäftigten zu helfen, möglichst schnell einen neuen Job zu finden." Mit dem Transferkurzarbeitergeld könne eine solche Auffanggesellschaft unterstützt werden. "Darüber hinausgehende Unterstützung durch die Bundesregierung sollten wir prüfen."

Für die rund 1200 Arbeitskräfte bei Air Berlin Technik gibt es noch die Chance, neue Arbeitgeber zu finden. Die Angebotsfrist in dem getrennt laufenden Bieterverfahren wurde bis 6. Oktober verlängert. Die Berliner Logistikfirma Zeitfracht sieht sich noch im Rennen. Derzeit "überwiegen die positiven Rückmeldungen zu unserem Kaufangebot", erklärte Firmenchef Wolfram Simon.

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Die Aussichten für die Beschäftigten hängen davon ab, wie Air Berlin auf Lufthansa und andere Airlines aufgeteilt wird. Der deutsche Marktführer hatte für 78 Flugzeuge geboten: die 38 schon jetzt für die Lufthansa-Tochter Eurowings eingesetzten Maschinen und 20 bis 40 weitere, darunter der Ferienflieger Niki mit seinen rund 20 Flugzeugen und ebenso viele Regionalflugzeuge der Luftfahrtgesellschaft Walter. Insgesamt erwartet Lufthansa-Chef Carsten Spohr durch den Deal 3000 neue Mitarbeiter, die voraussichtlich aber nicht alle von Air Berlin kommen werden. Easyjet ist Insidern zufolge an einem Großteil der übrigen 50 Kurz- und Mittelstreckenflieger von Air Berlin interessiert.

LEER AUSGEHENDE BIETER "ENTSETZT" UND "VERSTÖRT"

Die sich abzeichnende Lösung wurde von der Bundesregierung favorisiert, was nun Kritik von unterlegenen Bietern nach sich zieht. Der Luftfahrtunternehmer Hans Rudolf Wöhrl zeigte sich "entsetzt" über die sich abzeichnende Lösung. Wöhrl hatte ein Angebot für die gesamte, allerdings jahrelang Verlust schreibende Air Berlin vorgelegt, mit dem er eine Zerschlagung verhindern wollte. Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries "haben von Anfang alles andere als eine Lufthansa-Lösung als nicht machbar abgetan", erklärte Wöhrl. Die Politiker hatten sich für die Lufthansa als Abnehmer ausgesprochen.