Zentralbank-Chef: „Wir haben viel zu lernen“

 | 23.05.2023 16:22

Ganz frisch hat der britische Zentralbank-Gouverneur, Andrew Bailey, heute zugegeben, dass die Zentralbank noch viel zum Thema Inflation zu lernen hat. Gefallen sind diese Worte in einem sehr unangenehmen, zweitstündigen parlamentarischen Verhör, in dem sich Bailey und andere hochrangige Vertreter der Zentralbank verantworten mussten. Es regnete nur so Kritik an den Bankern, die mit ihren Einschätzungen zur Inflation brutal daneben lagen und entsprechend ineffizient auf diese Entwicklungen reagierten.

Mit 10.1% war die Inflationsrate im März noch immer die höchste im gesamten Westeuropa, was natürlich gerade nach dem frischen Brexit eine unschöne Situation für das Land ist, welches der EU ja so lange vorgeworfen hat, dass sie England den wirtschaftlichen Ruin bringt. Die Vorsitzende des Finanzausschusses, Harriett Baldwin, unterstrich diesbezüglich, dass die Zentralbank es versäumt habe, auf Stimmen aus der Agrarwirtschaft zu hören, die schon frühzeitig vor rapiden Preisanstiegen warnten. Ein klares Zeichen für den schlechten Informationsfluss und das schwache Einschätzungsvermögen war beispielsweise die Aussage im Februar, dass die Nahrungsmittelpreise ihr Hoch gesehen haben dürften, im Monat darauf aber mit 19.1% überboten wurden. Nur Deutschland liegt in der G7-Runde über diesem Wert.

Aktuell steigen die Lebensmittelpreise in Großbritannien so stark, wie seit den 1970er Jahren nicht mehr. Das hatte damals zur Wahl der „eisernen Lady“ Margaret Thatcher geführt, die mit ihrem radikalen neoliberalen Richtungswechsel eben den räuberischen Kapitalismus etablierte, der am Ende aber den Weg zu den Finanzkrisen der späten Neunziger und des Jahres 2008 führte. Erst mit einer Rückkehr zu einem regulatorischen Ansatz, konnte die Nachkrisenzeit wieder Wachstum erleben. Aber auch in dieser Situation konnte ja keine Balance gewahrt werden, denn sonst wären die letzten zwei Jahre eben nicht so belastend für die Weltwirtschaft gewesen. Es ist also irgendwo ein Kreislauf, der wieder an seinen Anfang gerückt ist.

Zwar schiebt Andrew Bailey seinen angestrebten Lernmoment auf den Umstand, dass man im Umgang mit externen Schocks besser werden sollte, vergisst dabei aber, dass es noch andere Faktoren gibt, die es zu berücksichtigen gilt. In der aktuellen Situation befinden wir uns, weil es eine einseitige und übertriebene Förderung der Nachfrage gab, die zu einer Überhitzung der Wirtschaft führte. Am Wendepunkt, an dem die Produktion nicht mehr mitkam, konnten die inflationären Dynamiken schon nicht mehr eingedämmt werden. Die Antwort auf all diese aktuellen Problematiken wird höchstwahrscheinlich wieder eine Wirtschaftspolitik à la Thatcher sein. Weil diese dann kurzfristig wirkt, denkt man, dass man das Geheimrezept gefunden hat. Dann wird die einseitige Bespielung der Produktion und die radikale Non-Intervention wieder zu einer Krise führen und man schmeißt wieder alles auf die Nachfrageseite.

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Wenn die britische Zentralbank, das britische Wirtschaftsministerium und eigentlich auch die meisten anderen Zentralbanken und Ministerien in der Welt, etwas zu lernen haben, dann ist es, dass es keine einseitige Antwort auf solides Wirtschaftswachstum gibt. Es ist kein Entweder-Oder. Nachfrage und Angebot müssen durch alle Dimensionen hinweg (Agrar, Rohstoffe, Finanzen, Geldmenge, Innovation etc.) in Balance gehalten werden. Weder der Keynesianismus noch der Thatcherismus wird langfristigen Erfolg bringen – phasenweise vielleicht schon. Aber dann muss man auch den Wechsel sauber hinkriegen und nicht erst reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

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