Stockstreet GmbH | 10.11.2020 09:39
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
mitten in den Medienrummel um die US-Wahlen, die Meldungen über weiter steigende Corona-Zahlen und die anhaltende Diskussion um die Lockdown-Maßnahmen platzte am Wochenende eine ganz außergewöhnliche Nachricht: Warren Buffett hat für eine Rekordsumme eigene Aktien zurückgekauft. Scheinbar begeht der Starinvestor damit seinen nächsten Tabubruch in kurzer Zeit. Müssen Buffett-Jünger sich sorgen machen, dass der Altmeister sein Mojo verloren hat?
h2 Warren Buffetts Tabubrüche/h2Seit Jahrzehnten hat Buffett gebetsmühlenartig wiederholt: Von Technologie versteht er nichts, deshalb kauft er keine Tech-Aktien, und Aktienrückkäufe sind meist schlechte Investitionen – aus Sicht der Aktionäre. Dann kaufte Buffetts Holding Berkshire Hathaway (NYSE:BRKa) seit 2016 Apple-Aktien. Inzwischen (per 30.09.2020) ist Apple (NASDAQ:AAPL) mit ca. 46 % sogar die mit Abstand größte Aktienposition in Buffetts Portfolio – die nächstgrößere, Bank of America (NYSE:BAC), kommt gerade einmal auf 10 %.
Gut, Buffett-Fans konnten sich trösten, dass Apple auch 2016 schon kein aufstrebendes Hightech-Startup mehr war, sondern eine etablierter Konsumgüterkonzern, der eine starke Marktstellung hat, so wie es Buffett liebt. Dann aber der nächste Schock: Im September dieses Jahres gab Berkshire Hathaway bekannt, insgesamt mehr als eine halber Milliarde Dollar in den Cloud-Anbieter Snowflake (NYSE:SNOW) investiert zu haben – just vor dem Börsengang des Unternehmens.
Bei Snowflake handelt es sich nun aber tatsächlich um einen jungen Technologiewert reinsten Wassers. Und die Angebote des Unternehmens richten sich zudem noch an Firmenkunden. Davon hat Buffett bisher die Finger gelassen, nachdem er sich diese einmal mit einem Großinvestment bei IBM (NYSE:IBM) verbrannt hat.
Und nun noch Aktienrückkäufe! Manche Buffett-Anhänger dürften nun die Welt nicht mehr verstehen…
h2 Auch der beste Anleger greift mal daneben/h2Doch Buffett selbst hat stets betont, dass auch ihm immer wieder Fehler unterlaufen – oder ihm auch nur das nötige Quäntchen Glück fehlt. So hat er vor einigen Jahren kräftig in Fluggesellschaften investiert. Diese Investition ist ihm in der Coronapandemie um die Ohren geflogen. Zuvor hat er sich beim Einstieg in den Ölsektor verschätzt.
Aber solche Fehlgriffe unterlaufen jedem Anleger. Bei Aktienrückkäufen ist es jedoch anders. Sie hat Buffett prinzipiell gegeißelt, weil sie nur in Ausnahmefällen einen Mehrwert für die Aktionäre schaffen. So sagte er 2018 in einem CNBC-Interview: „Können Sie sich jemanden vorstellen, der sich hinstellt und sagt: ‚Wir werden ein Unternehmen kaufen und es ist uns egal, wie hoch der Preis ist?‘ Aber genau das ist es, was Unternehmen tun, wenn sie nicht irgendeine Art von Bewertungskriterien auf ihre Rückkäufe anwenden.“
Buffetts Kritik war also keineswegs absolut, sondern an bestimmte Bedingungen geknüpft: Genauso wie bei jeder anderen Investition – z.B. einer kompletten Firmenübernahme – sollten die Manager eine möglichst genaue Vorstellung davon haben, welchen Wert sie für den Preis bekommen, den sie bezahlen. Wenn dieses Verhältnis von Wert und Preis vorteilhaft für das Unternehmen ist, dann ist es eine gute Investition, sonst nicht.
h2 Wann Aktienrückkäufe eine gute Sache sind/h2Diese relativ einfache und einleuchtende Bewertung gilt laut Buffett eben nicht nur für eine vollständige Übernahme eines Unternehmens, sondern auch bei einer teilweisen Übernahme – z.B. durch den Kauf von Aktien eines Unternehmens. Und sie gilt ganz besonders, wenn das Unternehmen eigene Aktien zurückkauft – schließlich sollten die Manager selbst am besten wissen, wie viel ihr Unternehmen tatsächlich wert ist.
Dementsprechend hat sich Buffett auch schon mehrfach dazu geäußert, wann Aktienrückkäufe aus seiner Sicht eine gute Sache sind; z.B. bereits auf der Berkshire-Hathaway-Aktionärsversammlung 2004: „Wenn Aktien unter dem Wert eines Unternehmens gekauft werden können, ist dies wahrscheinlich die beste Verwendung von Cash.“
h2 Rekordsumme für Aktienrückkäufe/h2Wenn Berkshire Hathaway also im 3. Quartal für rund 9 Milliarden Dollar eigene Aktien zurückgekauft hat, dann ist Buffett offenbar der Meinung, dass die Aktie unterbewertet ist. Denn Berkshire Hathaway hat seine Aktienrückkäufe in diesem Jahr sukzessive gesteigert: von knapp 2 Mrd. Dollar im ersten über gut 5 Mrd. Dollar im zweiten Quartal auf insgesamt 16 Mrd. Dollar in den ersten 9 Monaten dieses Jahres.
Und allein der 9-Milliarden-Rückkauf im 3. Quartal ist mehr als Berkshire Hathaway jemals zuvor in einem vollen Kalenderjahr dafür aufgewandt hat. Die aktuelle Shoppingtour ist nämlich keineswegs die erste ihrer Art: Berkshire Hathaway hat das erste Aktienrückkaufprogramm bereits im Jahr 2011 aufgelegt.
Trotz dieser Rekordsumme bleiben Berkshire Hathaway und Warren Buffett immer noch auf einem riesigen Cashpolster sitzen: 145,7 Mrd. Dollar betragen die liquiden Mittel, liquiditätsähnliche Anlagen und kurzfristig liquidierbare Investments von Berkshire Hathaway per 30. September. Das ist nur geringfügig weniger als der Wert am Ende des 2. Quartals (146,6 Mrd. Dollar).
h2 Nützliche Informationen von Warren Buffett/h2Die Nachricht über die Aktienrückkäufe von Berkshire Hathaway liefern damit eine Menge nützlicher Informationen für Anleger:
Zuvor, in der Nullzinsära seit der Finanzkrise, haben Unternehmen, die aggressiv eigene Aktien zurückkauften, dagegen den Markt klar überflügelt. Das ist vorbei, zumal sich viele Unternehmen dafür auch zum Teil massiv verschuldet haben – was ihnen bei einer Rückkehr der Rezession schnell auf die Füße fallen kann. Für Aktienrückkäufe erhalten die Unternehmen von den Investoren also keinen Bonus mehr. Warren Buffett tut es trotzdem – und stellt sich damit bewusst gegen den Mainstream.
Zwei wichtige Konsequenzen für alle Anleger
Daraus ergeben sich zwei logische Konsequenzen für Anleger:
Im Idealfall denken alle Anleger so. Dann würden alle Berkshire-Hathaway-Aktionäre auf ihren Aktien sitzenbleiben, während viele Kaufinteressenten darum betteln. Das würde den Kurs explodieren lassen, weil eine steigende Nachfrage auf null Angebot trifft.
Und tatsächlich: Die Aktie ist nach der Meldung vom Wochenende heute schon gut 5 % im Plus. Warren Buffett hat also vermutlich weniger einen Tabubruch begangen, sondern mal wieder einen genialen Schachzug gemacht.
Ich wünsche Ihnen ähnlich smarte Entscheidungen bei Ihren Investments!
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
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