James Picerno | 06.01.2023 08:10
Die US-Notenbank scheint sich dem Ende ihrer Zinserhöhungspolitik zu nähern, wenn man den Einschätzungen des Anleihemarktes glaubt und von den wirtschaftlichen Bedingungen ausgeht. Aber es gibt einen Schwarzen Peter, der diese Prognose zunichtemachen könnte: Die Inflation verharrt länger auf ihrem erhöhten Niveau als derzeit erwartet.
Einige Analysten warnen, dass es verfrüht ist, von einer demnächst wieder deutlich niedrigeren Inflation auszugehen. Der jüngste Anstieg des Preisdrucks hat "noch nicht die Kurve gekriegt", das meint zumindest ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds. Gita Gopinath, die stellvertretende geschäftsführende Direktorin und Chefökonomin des Fonds, rät der Fed, "die restriktive Geldpolitik beizubehalten, bis ein sehr deutlicher, dauerhafter Rückgang der Inflation" bei den Löhnen und in den Branchen mit Ausnahme von Lebensmitteln und Energie zu verzeichnen ist.
Die Fed Funds Futures preisen eine Wahrscheinlichkeit von über 60 % für eine Erhöhung um 25 Basispunkte auf der nächsten FOMC-Sitzung am 1. Februar ein. Sollte das so eintreffen, wäre es die geringste Erhöhung seit Beginn der Zinserhöhungen der US-Notenbank im vergangenen März.
Der Markt für Staatsanleihen scheint jedoch davon auszugehen, dass das Ende der Zinserhöhungen durch die Fed nahe ist, wenn man das Verhältnis zwischen dem Zielsatz der Fed Funds und der Rendite der 2-jährigen Treasuries betrachtet, die als die für politische Erwartungen empfindlichste Laufzeit gelten. Nachdem die Rendite der 2-Jährigen lange Zeit deutlich über dem Fed-Funds-Target lag - eine Prognose für Zinserhöhungen -, ist der Spread zwischen den beiden Renditen praktisch weggeschmolzen. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt nun davon ausgeht, dass die Zinserhöhungsphase zu Ende ist oder kurz vor ihrem Ende steht
Zum ersten Mal seit über einem Jahr beträgt die Differenz zwischen der 2-Jahres-Rendite und dem Fed-Funds-Rate praktisch null
Die Verwendung eines einfachen Modells, das die Entwicklung des Leitzinses mit der Arbeitslosigkeit und der Verbraucherinflation vergleicht, deutet ebenfalls darauf hin, dass das derzeitige Zinsniveau im Verhältnis zu den makroökonomischen Bedingungen ausreichend restriktiv ist. Das nachstehende Schaubild zeigt, dass das derzeitige Niveau der Leitzinsen angesichts der jüngsten Inflations- und Arbeitslosenzahlen (blauer Punkt) nahe einer Schätzung des optimalen Zinssatzes liegt.
Mit anderen Worten: Die Fed-Politik befindet sich in dem Bereich, der in früheren Zyklen den Scheitelpunkt von Zinserhöhungen signalisiert hat. Im Vergleich zum März 2022, als die Fed begann, die Zinsen anzuheben, sind die aktuellen Bedingungen weit weniger locker.
Die Zentralbank könnte natürlich die Zinsen weiter anheben, unabhängig von den Erwartungen des Finanzmarktes und den modellgestützten Prognosen. Vieles hängt von den künftigen Inflationsdaten, dem Wirtschaftswachstum (oder der Abwesenheit eines solchen) und der Zuversicht der Fed ab, dass der Preisdruck seinen Höhepunkt erreicht hat - oder nicht.
"Die Fed erhöht weiterhin die Zinssätze, wägt aber das Tempo und das Ausmaß der Zinserhöhungen gegenüber den verzögerten Auswirkungen der bereits erfolgten kumulativen Straffung ihrer Geldpolitik ab", meint Tim Duy, leitender US-Ökonom bei SGH Macro Advisors, in einer aktuellen Anlegernotiz.
"Gegenwärtig geht die Fed davon aus, dass ein Leitzins von 5,125 % zu den für die Erreichung ihres Ziels erforderlichen finanziellen Bedingungen passt."
Auf dieser Grundlage werden weitere Erhöhungen der Zinssätze über die am 1. Februar prognostizierte Anhebung um 25 Basispunkte hinaus erwartet, was die Fed Funds auf eine Zielspanne von 4,50 % bis 4,75 % anheben würde. Der Markt für Staatsanleihen scheint jedoch darauf zu wetten, dass auf eine weitere kleine Anhebung eine Pause folgen wird - eine Erwartung, die sich noch verstärken wird, wenn die nächsten Wirtschaftsdaten eine Verlangsamung des Wachstums oder Schlimmeres signalisieren.
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