Wachstumslokomotive China mit Antriebsproblemen

 | 20.06.2023 10:07

In China wurde letzte Woche der Leitzins gesenkt, während der Rest der Welt mit steigenden Zinsen gegen die Inflation kämpft. Ich zeige auf, dass die Wirtschaft Chinas unter den Entwicklungen der vergangenen Jahre leidet. Die USA sind stolz auf ihre heimische Industrie und auch wir sollten mit etwas mehr Selbstbewusstsein auf China blicken.

Chinas Wirtschaft bekommt Probleme. Zum Jahreswechsel wurde die Null-Covid Politik beendet, es folgte eine absehbare Infektionswelle. Doch die daran anschließende Nach-Coronawelle, in der Nachholeffekte zu einer Aufholjagd der Wirtschaft führen sollten, blieb deutlich hinter den Erwartungen.

So hat die People's Bank of China (PBoC) diese Woche überraschend den Leitzins von 2,75% auf 2,65% gesenkt. Während weltweit Notenbanken mit Zinserhöhungen gegen die Inflation kämpfen, muss China den Zins senken, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Arbeitslosenquote in den chinesischen Ballungsgebieten ist mit 5,2% ungewöhnlich hoch. Arbeitnehmer im Alter von 16 bis 24 haben sogar eine Arbeitslosenquote von 20,8% zu beklagen. Es werden keine neuen Fabriken, in denen fleißige Arbeiter Produkte für den Westen zusammenbauen, mehr eröffnet.

Die Kreditaufnahme für Investitionen lag im Mai um 15% hinter den Erwartungen. Unternehmensinvestitionen in neue Anlagen stiegen nur noch um 4% an, im Monat zuvor waren es noch 4,7%, für Mai wurde ursprünglich ein Anstieg um 4,4% erwartet. Die Industrieproduktion wächst nur noch mit 3,5% statt der erwarteten 3,8%. Im Monat zuvor waren es sogar noch 5,6%.

Der größte Importeur in die USA ist nicht mehr China, sondern Mexiko und Kanada. China ist auf Platz 3 abgerutscht, das Handelsabkommen NAFTA funktioniert.

Gleichzeitig macht der Begriff "Homeshoring" in den USA die Runde: Neue Produktionskapazitäten werden im Inland aufgebaut, Auslandsinvestitionen gehen zurück. Donald Trump "Make America Great Again" (MAGA) wird von Joe Biden unvermindert fortgesetzt. Damit werden nicht nur in den USA Arbeitsplätze geschaffen, sondern es wird auch die Abhängigkeit von China verringert.

Außerdem haben die USA eine lange Liste von sensiblen Militärprodukten aufgeführt, die nicht nach China exportiert werden dürfen. Allen voran die Hochleistungschips von Nvidia (NASDAQ:NVDA). Dadurch gibt es eine Reihe von Fertigprodukten, die seitens China nicht mehr gebaut werden können. Dies belastet sowohl den Export als auch die Binnenkonjunktur Chinas.

China benötigt mindestens 6% Wachstum, um die aktuellen Entwicklungen zu stemmen: Die Landflucht Chinas führt zu einem großen Zustrom junger Arbeitskräfte in die Ballungszentren. Dieser Trend ist ungebrochen, ländliche Gebiete sind gigantisch im Reich der Mitte und werden bislang noch kaum statistisch erfasst, daher misst man nur die Arbeitslosenquote der "Ballungszentren".

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Dieser Zustrom wurde bislang problemlos in den Fabriken untergebracht, die Produkte für den Westen fertigten. Doch der Westen ist vorsichtiger geworden. Chinesische Billigartikel werden nicht mehr so stark nachgefragt, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war.

Ihr Autor hat sich diese Woche ein paar Schuhe aus China kommen lassen, die schick aussehen und nur 15 Euro kosteten. Ich war neugierig, wie sich die Qualität entwickelt hat. Der Befund: Katastrophal. Total (EPA:TTEF) wabbelig, unangenehm an der Ferse und keinerlei Fußbett trotz dicker Sohle. Also tatsächlich nicht mehr als 15 Euro wert.

Natürlich ist das nur eine Stichprobe, doch ich hatte erwartet, dass es solche Billigprodukte inzwischen nicht mehr gibt bzw. hatte befürchtet, dass China zu so günstigen Preisen wettbewerbsfähige Produkte herstellen kann.

Okay, in der Bestellung war auch noch ein Langhaarschneider für 18 Euro enthalten und ein paar weitere Kleinigkeiten, die tatsächlich bei Preis/Leistung weit vorne liegen. Aber nicht so weit, dass ich mir Sorgen um unsere Produkte machen würde.

Präsident Joe Bidens Strategie, sich unabhängig von China zu machen, hat den Begleiteffekt, dass China deutlich geschwächt wird. China ist nicht in der Lage, die fehlenden Vorprodukte aus den USA selbst herzustellen. Bei der Chipentwicklung fehlt das Knowhow. In Sachen KI droht China dadurch abgehängt zu werden. Ein Großteil des chinesischen Erfolges beruhte zunächst auf den großzügigen Förderungen des Westens und später auf den westlichen Technologien und Konsumenten.

Der chinesische Präsident Xi Jinping hatte das Ruder herumgerissen: Nach Jahren der Öffnung Chinas zum Westen hat er seine Partei zurück zum Kommunismus mit harten Bandagen für die Bevölkerung geführt. Er formulierte den Anspruch, eine stärkere Rolle im geopolitischen Gleichgewicht zu spielen. Doch derzeit wird offensichtlich, dass China noch nicht so weit ist, unabhängig vom Westen erfolgreich zu sein.

Über Jahre saß der Westen wie das Kaninchen vor der Schlange und hatte Angst, China als Wachstumslokomotive der globalen Wirtschaft zu verprellen. "Ohne China kein Wachstum" heißt es heute noch in der Vorstandsetage der meisten DAX-Unternehmen.

Doch in diesen Tagen wird offensichtlich, wie verwundbar China ist, wenn der Westen nach Alternativen zu China sucht. Es gibt viele andere Länder, in denen billig produziert werden kann. Und die Forschung, die zuletzt sogar Siemens (ETR:SIEGn) nach China verlagern möchte, ist vielleicht doch besser im eigenen Land aufgehoben. Auch die Rohstoffversorgung, insbesondere die sogenannten "seltenen Erden", kann man auch außerhalb Chinas abbauen. Dies verringert die Abhängigkeit und führt langfristig zu günstigeren Preisen.

Gestern hat Siemens nun einen kleinen Rückzieher gemacht: In China investiere man zwar in den Ausbau der Produktionskapazitäten, aber man werde dort nur für den chinesischen Markt produzieren. Parallel werde man in anderen asiatischen Ländern ebenfalls Kapazitätsausweitungen vornehmen.

Die USA haben gezeigt, dass China die Technologien und die Konsumenten aus dem Westen mindestens genauso benötigt wie der Westen das Wachstum aus China. Das selbstbewusste Auftreten der USA würde ich mir von unserem Kanzler Olaf Scholz auch wünschen. Bislang nehme ich hierzulande wahr, dass wir als Exportweltmeister abhängig von Chinas Wohlwollen wären und wir China auf gar keinen Fall verärgern dürfen. Das hört sich für mich so an, als flüsterten ewig gestrige Vorstände unserem Kanzler diese Furcht ein. Dabei handelt es sich um ein politisches Thema, das politisch gelöst werden muss. Die Wirtschaft muss - und kann, wie wir an den USA sehen - sich auf die politischen Gegebenheiten einstellen.

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