Vor der nächsten Finanzkrise?

 | 14.03.2023 09:48

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

Sven Weisenhaus hatte in der Vorwoche schon von der Pleite der SVB Financial (NASDAQ:SIVB) Group (Silicon Valley Bank) berichtet. Natürlich fragen uns nun viel Anleger und Börse-Intern-Leser, ob damit eine neue Finanzkrise beginnen könnte.

h3 Die Bedeutung der SVB im US-Bankensektor/h3

Zunächst zur Einordnung: Die Pleite der SVB ist die größte Bankenpleite seit der Finanzkrise 2008 und die zweitgrößte in der Geschichte der USA. (Die größte war der Zusammenbruch der Washington Mutual in der Finanzkrise, die danach von J.P. Morgan Chase übernommen wurde.)

Das klingt erst mal bedrohlich, aber die Bilanzsumme der SVB von 211,8 Mio. Dollar betrug Ende 2022 nur 5,8 % der Bilanzsumme von J.P. Morgan Chase und liegt deutlich unter dem Wert von Washington Mutual (350,7 Mio. Dollar). Die SVB ist zwar im S&P 500 gelistet, steht aber dort nach Marktkapitalisierung nur auf Platz 488 (von 500). Sie ist also kein kleiner Fisch, aber wohl auch nicht „systemrelevant“.

h3 Konzentration auf Start-Ups im „Valley“ und anderswo/h3

Obwohl die Bank, die bereits 1983 gegründet wurde, nach den üblichen Maßstäben des Silicon Valley langweilig und außerhalb ihrer Standard-Klientel kaum bekannt war, spielte sie eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Start-Ups und Tech-Firmen im „Valley“ und anderswo. Der Name war also Programm.

Laut ihrer Website erbrachte SVB Bankdienstleistungen für fast die Hälfte der mit Risikokapital finanzierten Tech-, Biotech- und sonstigen Start-Up-Unternehmen sowie für mehr als 2.500 Risikokapitalfirmen, die solche Firmen maßgeblich finanzieren.

Viele Tech-Unternehmen nutzten SVB als Hausbank bzw. Cash-Parkplatz. Bekanntlich wurden im jüngsten Bullenmarkt etliche neue Unternehmen geradezu mit Geld der Investoren geflutet. Das landete zum großen Teil auf Firmenkonten bei SVB, von denen sich die Unternehmen dann nach Bedarf bedienten, z.B. für Investitionen oder Gehaltszahlungen.

h3 Mit Anleihen massiv verspekuliert/h3

Wie andere Banken auch, arbeitete SVB mit diesem Geld und kaufte davon unter anderem vor einem Jahr eine größere Menge von Anleihen in der Hoffnung auf Rendite. Das hat eine Weile gut funktioniert, bis die Fed im vergangenen Jahr begann, die Zinsen zu erhöhen. Dadurch sank der Wert dieses Anleiheportfolios (steigende Zinsen = fallende Anleihekurse).

Gleichzeitig wurden die Investoren bei der Start-Up-Finanzierung zurückhaltender. Das Geld kam nicht mehr so üppig herein, so dass viele SVB-Kunden mehr von ihrem Geld brauchten, das vermeintlich „auf der Bank“ lag. Um diese Auszahlungen zu tätigen, war SVB gezwungen, einige ihrer Anlagen zu veräußern, als deren Wert gesunken war. Am vergangenen Mittwoch musste sich die Bank offenbaren und erklären, dass sie beim Notverkauf eines Anleiheportfolios von 21 Mrd. Dollar 1,8 Mrd. Dollar verloren hat. Diese Beträge gehen weit über die Bilanzsumme der Bank hinaus. Wie es dazu kommen konnte, müssen jetzt die Behörden klären.

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Das wird auch einer der Gründe sein, warum die Behörden die Bank sofort geschlossen haben. Ein anderer Grund: Große Investoren haben die SVB-Kunden aufgerufen, ihre Einlagen dort abzuziehen. Zudem soll die Bank nach Medienberichten kurz vor Schließung durch die Behörden noch Boni an ihre Mitarbeiter ausgezahlt haben. Da die SVB Mitglied des US-Einlagensicherungsfonds FDIC war, übernahm dieser daher die Kontrolle über die Bank, nachdem sie am Donnerstag vergeblich versucht hatte, den Verlust durch eine Blitz-Kapitalerhöhung auszugleichen.

h3 Bankenpleite mit Ankündigung/h3

Soweit die bekannten Fakten, nun zu deren Folgen für die Börsen. Die begannen schon, bevor SVB ihren Offenbarungseid leisten musste. So fielen schon am vergangenen Dienstag die Kurse an den US-Börsen kräftig. Die Medien führten diese Verluste auf Aussagen von Fed-Chef Powell vor dem US-Kongress zurück. Aber Sven Weisenhaus wies gleich darauf hin , dass dafür jegliche Indizien fehlen.

Und tatsächlich dürften die Verluste vom Dienstag das Vorbeben, quasi die „Ankündigung“ des Einbruchs am Donnerstag gewesen sein. Laut Medienberich­ten wurden auf einer Regionalbanken-Konferenz in den USA am Anfang dieser Woche die beschleunigten Einlagen-Abflüsse thematisiert, die SVB zum Verhängnis wurden. Insbesondere viele Anleihe-Port­fo­lios, befänden sich mittlerweile unter Wasser, was ja auch der Auslöser für die SVB-Pleite war.

h3 Schon die zweite Bank wurde geschlossen/h3

Denn bereits am Dienstag gehörten SVB und andere Regionalbanken zu den größten Verlierern an der US-Börse. Zudem gab es auch bei allen anderen Aktien einen enormen Abgabedruck: Das Abwärtsvolumen – also das Volumen aller Aktien, die diesem Tag fielen – lag bei mehr als 80 % des Gesamtvolumens. Das ist ein ungewöhnlich hoher Wert und signalisiert oft, dass etwas Ungewöhnliches vorgeht oder im Anmarsch ist.Und tatsächlich: Inzwischen werden diese Titel von einschlägigen Hedgefonds massiv geshortet. Der Zusammenhang ist also eindeutig – da haben gut informierte Investoren den Braten gerochen und bereits gehandelt, als sich alle anderen noch in Sicherheit wiegten.

Die Probleme von SVB und Co. wecken unschöne Erinnerungen an die Finanzkrise, zumal am Sonntag mit der Signature Bank (NASDAQ:SBNY) aus New York auch schon die zweite Bank von den Behörden geschlossen wurde. Der Schritt wurde ausdrücklich damit begründet, dass sonst die Stabilität des Finanzsystems gefährdet wäre.

h3 Wie groß ist das Problem eigentlich?/h3

Schauen wir also auf die Dimensionen des Problems. Der Zinsanstieg seit 2022 hat die Bilanzen der Banken kräftig unter Druck gebracht. In den vergangenen Quartalen summierten sich die unrealisierten Verluste aus Wertpapieren (hauptsächlich Anleihen) auf 690 Mrd. Dollar (Stand 30.09.2022). Per Jahresende 2022 ging dieser Wert zwar auf 620 Mrd. Dollar zurück. Liegt aber immer noch weit über den Werten der Vorjahre: