Michael Kramer | 11.10.2021 06:41
Der Gedanke, dass die US-Wirtschaft auf eine Rezession zusteuern könnte, mag abwegig erscheinen, zumal das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal mehr als 6,5 % betrug und die Prognosen für das dritte Quartal bei etwa 7 % angesiedelt sind. Doch der Wind kann sich bekanntlich schnell drehen, und in diesem Fall hat er bereits gedreht.
Das dritte Quartal war eine herbe Enttäuschung, denn die Wirtschaft schwächte sich innerhalb von nur drei Monaten gewaltig ab. Das GDPNow-Modell der Atlanta Fed deutet darauf hin, dass im dritten Quartal eine Wachstumsrate von nur 1,3 % erreicht werden könnte. Je nachdem, wie enttäuschend dieses Quartal ausfällt, kann man nicht ausschließen, dass diese Werte noch weiter zurückgehen oder vielleicht sogar negativ werden.
Doch selbst wenn das dritte Quartal negativ ausfallen sollte, was sehr unwahrscheinlich ist. Ein Quartal mit einem negativen BIP führt noch lange nicht zu einer Rezession, dazu braucht es schon mindestens zwei Quartale. Zu Beginn des Schlussquartals stellt sich jedoch nicht die Frage, ob sich die Konjunktur weiter abschwächt, sondern ob sie sich wieder beschleunigen kann oder nicht.
Laut Refinitiv-Daten liegen die Konsensprognosen für das BIP-Wachstum im dritten Quartal bei etwa 4,5 %, während für das vierte Quartal ein Anstieg auf etwa 5 % prognostiziert wird. Im Laufe des Jahres 2022 dürfte sich das Wirtschaftswachstum dann drastisch verlangsamen und im vierten Quartal 2022 auf 2,5 % sinken.
Hier stellt sich die Frage, ob diese Schätzungen für die Zukunft nicht einfach zu hoch gegriffen sind und ob sie nach unten korrigiert werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass ein Großteil der Wirtschaftsdaten auf eine deutliche Verlangsamung hindeutet, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern der Welt. Einige Analysten gehen inzwischen davon aus, dass die chinesische Wirtschaft im dritten Quartal nicht mehr gewachsen ist. Ende September Bericht von Fitch Ratings festgestellt, dass sich die Störungen in der Lieferkette allmählich auf die Ergebnisse diversifizierter Industrieunternehmen auswirken, was dazu führen könnte, dass diese Firmen ihre Gewinnprognosen bei der Bekanntgabe der Ergebnisse für das dritte Quartal nach unten korrigieren.
Andere Sorgen, wie z.B. die Konsumstimmung, haben sich hier in den USA ebenfalls dramatisch eingetrübt. Das von der Uni Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen lag zuletzt bei 72,8 und damit deutlich unter dem Wert von 88,3 im April. In der Vergangenheit wurde ein Wert unter 70 meist mit einer Rezession in der US-Wirtschaft in Verbindung gebracht.
In den letzten Tagen gab es jedoch auch zarte Anzeichen dafür, dass sich das Wachstum stabilisiert. Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe per Berichtsmonat September hat sich gegenüber August verbessert und ist von 59,9 auf 61,1 gestiegen, während der Dienstleistungsindex von 61,7 auf 61,9 zugelegt hat. Diese deutlichen Verbesserungen sind bemerkenswert und stellen nach wie vor solide Werte dar. Sie können ein erstes Anzeichen dafür sein, dass sich die Wirtschaft nach einer sehr ausgeprägten Verlangsamung wieder zu beschleunigen beginnt. Es ist allerdings noch zu früh, um die Nachhaltigkeit dieses Trends zu beurteilen.
Ganz klar ist, dass die Wirtschaft im dritten Quartal offenbar einen dramatischen Rückschlag erlitten hat und sich das BIP-Wachstum drastisch verlangsamt hat. Ob eine Wachstumsrate von 1 % nun zu niedrig oder zu hoch angesetzt war, spielt dabei keine Rolle. Denn selbst ein Wachstumsclip von 4 % wäre gemessen an den Erwartungen eine herbe Enttäuschung.
Es sollte daher nicht einfach so abgetan werden, dass sich die Konjunktur deutlich verlangsamt hat, denn dies birgt auch Gefahren für die Märkte.
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