US-Notenbank liefert, Aktienkurse brechen dennoch ein

 | 12.06.2020 09:24

Wie erwartet hat die US-Notenbank am Mittwoch dieser Woche keine großen Änderungen beschlossen. Der Leitzins bleibt unverändert in seiner aktuellen Spanne von 0,00 % bis 0,25 % und die Wertpapierkäufe werden in bisheriger Größenordnung fortgesetzt – etwa 80 Milliarden US-Dollar werden pro Monat in Staatsanleihen investiert, rund 40 Milliarden Dollar fließen monatlich in hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS).

Der Beschluss fiel einstimmig. Im Statement dazu fand sich neben dem Hinweis auf die Fortsetzung der Anleihekäufe lediglich die kleine Änderung, dass sich die finanziellen Bedingungen aufgrund der politischen Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft und des Kreditflusses verbessert haben. Abgesehen davon war das Statement unverändert.

Leitzins bleibt bis Ende 2022 auf aktuellem Niveau
Die für den Markt interessanten Informationen fanden sich in den aktualisierten wirtschaftlichen Projektionen der Währungshüter. Demnach wird der Leitzins von den FOMC-Mitgliedern selbst Ende 2022 noch auf dem aktuellen Niveau gesehen.

Wirtschaftsprognosen der US-Notenbank

(Quelle federalreserve.gov) Projektionen der US-Notenbank

Grund dafür sind natürlich die düsteren Konjunkturaussichten aufgrund der Coronavirus-Krise. So kann die Notenbank den Leitzins problemlos so lange niedrig halten, weil die Inflationsrate aufgrund einer schwachen Konsumnachfrage selbst 2022 noch unter dem Fed-Ziel von annähernd 2 % liegen soll. 2020 wird ein Wert von 0,8 % erwartet, der für 2021 auf 1,6 % und 2022 auf 1,7 % geschätzt wird.

Deflationäre Tendenzen
Erst vorgestern haben aktuelle Daten gezeigt, dass die Verbraucherpreise in den USA im Mai den dritten Monat in Folge im Vergleich zum Vormonat gefallen sind, um -0,1 % (nach -0,8 % im April und -0,4 % im März).

monatliche Inflation in den USA

Die jährliche Inflationsrate schwächte sich damit auf nur noch 0,1 % ab, von immerhin noch 0,3 % im April.

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Die schwache Konsumnachfrage und die dadurch sehr mäßige Inflation erklärt sich, weil das Bruttoinlandsprodukt der USA im laufenden Jahr um 6,5 % einbrechen soll, bevor es 2021 mit +5,0 % und 2022 mit +3,5 % wieder aufwärts geht (siehe dazu folgende Grafik). Mit diesen Prognosen könnten die Börsen eigentlich sehr gut leben, denn die US-Wirtschaft würde demnach bereits 2022 wieder das BIP-Niveau von 2019 erreichen und sogar übersteigen, ganz im Gegensatz zu Deutschland und der Eurozone.


Und am 22. Mai hatte ich berichtet, dass das überparteiliche Haushaltsbüro des Kongresses (CBO) ebenfalls davon ausgeht, dass das US-BIP „auch 2021 nicht wieder das Niveau von Anfang 2020 erreichen“ werde. Auffallend ist zudem, dass die Arbeitslosenquote, die selbst zum Jahresende noch im zweistelligen Bereich liegen sollte – am 22. Mai hatte ich auch berichtet, dass Fed-Chef Jerome Powell und der Präsident der Notenbank von Boston, Eric Rosengren, diese zweistelligen Quoten erwartet hatten – in den aktuellen Fed-Projektionen für 2020 mit 9,5 % angegeben ist, also knapp unter der neuralgischen zweistelligen Marke liegt.

Sell the facts
Die Prognosen der Währungshüter fallen also wesentlich optimistischer aus, als man es hätte erwarten können. Zudem hat die Notenbank im Prinzip mehr geliefert als erwartet. Es wurden zwar keine Änderungen an der aktuellen Geldpolitik (Leitzins, Anleihekäufe) vorgenommen, doch die Forward Guidance wurde dahingehend präzisiert, dass der Leitzins eben noch lange Zeit auf dem aktuellen Niveau bleibt.

Doch die Aktienmärkte geben seit dem vorgestrigen Zinsentscheid derart stark nach, dass man schon wieder crashartige Tendenzen erkennen kann. Der Dow Jones notiert mit nur noch rund 25.700 Punkten schon mehr als 1.800 Punkte oder mehr als 6,8 % unter dem Hoch vom Wochenbeginn. Dies lässt sich eigentlich nur mit einem „Sell the facts“-Effekt und den zuvor so exzessiv gestiegenen Kursen begründen.

Nur eine Welle 4?
Ich hoffe, Sie haben Ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene gebracht. Noch kann man davon ausgehen, dass lediglich die Welle 4 im DAX weiterhin läuft.

Aber die gestrige Abwärtsdynamik und das Ausmaß der Verluste – der Dow Jones verlor alleine gestern mehr als 1.200 Punkte – lassen die Alarmglocken läuten. Solange sich die Lage nicht beruhigt, sollte man nicht auf eine Welle 5 setzen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

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