USA mit Billionenprogramm ante portas - EU: "Chapeau!"

 | 21.07.2020 09:24

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,1443 (06:06 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1400 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 107,23. In der Folge notiert EUR-JPY bei 122,69. EUR-CHF oszilliert bei 1,0743.

Die Finanzmärkte atmen auf! Die EU-Regierungen haben sich auf ein Fiskalpaket geeinigt, das in weiten Teilen einen investiven Charakter hat. Die USA stehen vor der Verabschiedung eines neuen Corona-Hilfspakets. Dieses Paket soll laut US-Finanzminister Mnuchin ein Volumen von mindestens 1 Billion USD aufweisen. 

Finanzmärkte kaprizieren sich gerne auf quantitative Größen. Das ist verständlich, Zahlen dominieren die Analyse. Die jetzt im Raum stehenden Zahlen, es wird mit Billionen jongliert, sind historisch einmalig und sie beeindrucken.

Entscheidend ist immer die Verwendung der Mittel. Wie viel dieser Mittel werden einen investiven, wieviel der Mittel einer konsumtiven Verwendung zugeführt. In den USA war und ist die Mittelverwendung maßgeblich darauf abgestellt, den für die Ökonomie dominanten Konsumsektor zu alimentieren, der mit knapp 70% des US-BIP korreliert ist. Das ist in Kontinentaleuropa plus Irland anders. Dort spielt der investive Sektor im Fiskalpaket eine tragende Rolle.

Das strukturelle US-Problem der Fokussierung auf konsumtive Verwendungen spiegelt sich in der prekären öffentlichen US-Haushaltslage. Wir wissen, dass dieses Thema nicht der „Politischen Korrektheit“ der von den USA dominierten Finanzmärkte und Ratingagenturen entspricht. Gleichwohl ist es hinsichtlich der prekären US-Situation vor dem Hintergrund notwendiger Professionalität elementar, darauf zu verweisen. Kommen wir zu den Fakten. Per 17.Juli 2020 stellte sich die US-Neuverschuldung im Jahr 2020 auf 3.331 Mrd. USD oder 15,5% des US-BIP! Selbsttragende Kräfte sind sehr unausgeprägt. "Food for thought!"

Wir freuen uns sehr, dass der EU-Gipfel erfolgreich war. Das Projekt Kontinentaleuropa plus Irland ist fraglos nicht einfach. Der jetzt erzielte Konsens muss als Beleg für die Erkenntnis der gegenseitigen Abhängigkeit in einer zunehmend unsichereren Welt interpretiert werden. 

Kleinstaatliche Extravaganzen im Sinne des Modells des UK sind mit extremen Risiken bewährt. Das wird sich in den kommenden Jahren bei der Performance des UK zeigen. Die EU ex UK ist ökonomisch eine der potentesten Regionen der Welt. Diese Wirtschaftspotenz muss durch politische Potenz geschützt werden. Diese Einigung erhöht die politische Potenz. Das ist und war überfällig. 

Die EU-Staaten haben sich auf das größte Finanzpaket ihrer Geschichte vor dem Hintergrund der Corona-Krise geeinigt. Die Vereinbarung hat ein Volumen von insgesamt rund 1,8 Billionen Euro. 

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Der Weg zum Kompromiss war steinig. Er war deswegen steinig, weil Europa anders als die USA nicht nur den Moment retten wollen (konsumtiv), sondern Zukunftsgestaltung als Ziel haben (investiv, u.a. Klimaschutz). Dieser Aspekt ist von tragender Bedeutung für Investoren, weniger für kurzfristig orientierte Spekulanten. 

In dem Fiskalpaket sind zwei Elemente enthalten. Einerseits wurde der EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 in einem Umfang von 1.074 Mrd. EUR beschlossen. Zusätzlich einigte man sich über den Wiederaufbaufonds im Volumen von 750 Mrd. EUR. Dieser sieht vor, dass schwer von der Pandemie betroffenen EU-Staaten geholfen werden soll. Davon sind 390 Mrd. Euro Zuschüsse und 360 Mrd. Euro Kredite. 

Die Maximalforderung der Achse Paris/Berlin über Zuschüsse in Höhe von 500 Mrd. Euro wich schlussendlich diesem Kompromiss, der immer noch eine historische Dimension hat. Den Sorgen der "sparsamen vier bis fünf EU-Länder" wurde damit Rechnung getragen. "Überbügeln" war und ist nicht und das ist auch gut so.

Neben den quantitativen Maßnahmen wurden auch qualitative Maßnahmen beschlossen, die Europa handlungsfähiger machen und damit Möglichkeiten im Rahmen der international erforderlichen politischen Emanzipation Kontinentaleuropas eröffnen. Kontinentaleuropa plus Irland müssen sich gegen rechtlose Angriffe verteidigen können. Dazu bedarf es "Politics of Scale" (Unternehmen "Business of Scale"). Kleinheit liefert nur die Garantie der Unterordnung, was Ausdruck von Souveränitätsverlust ist.

So beschlossen die 27 EU-Regierungen, dass die EU eigene Einnahmen erhält. Am 1. Januar 2021 soll beispielsweise eine Plastiksteuer eingeführt werden. Zur Finanzierung des Aufbaufonds, soll die EU-Kommission Anleihen aufnehmen. 

Nach der Einigung auf dem EU-Gipfel muss nun die Zustimmung des Europäischen Parlaments eingeholt werden. Danach müssen die nationalen Parlamente zustimmen. Ergo steht das aktuell verhandelte Fiskalpaket unter demokratischem Vorbehalt. 

Wir sind zuversichtlich, dass dieses Fiskalpaket am Ende auch die Zustimmung sowohl des Europäischen Parlaments als auch der nationalen Parlamente erhalten wird.

Heute ist ein guter Tag für die EU, für Kontinentaleuropa und Irland. Es ist ein guter Tag, da die Achse Paris/Berlin emphatisch lebt, "Chapeau!"

Aktuelle Corona-Lage gemäß der Johns-Hopkins-Universität:

Wir weisen darauf hin, dass die Darstellung der JHU global eine unzureichende Annäherung an die reale Lage liefert. Insbesondere das fehlende Nachhalten diverser Länder bei Genesungszahlen vermittelt eine Überzeichnung der Situation der aktiven Fälle und damit des Krisenszenarios. Transparenz sieht anders aus. Wir haben ein Recht auf Transparenz in Zeiten umfassender IT, weil Corona-Maßnahmen unsere verfassungsrechtlichen Ansprüche untergraben!

Das gilt mittlerweile auch für den Hotspot USA. Am 3. Juli waren 2.739.879 akute Fälle gemeldet. Die Genesungszeit dauert circa 2-3 Wochen, Wir unterstellen, dass das für 85% der Infizierten gilt. Dann müsste die Zahl der Genesenden (inklusive der Todesfälle) derzeit bei circa 2.325.000 liegen. Sie steht jedoch bei lediglich 1.301.044. 

In Asien ist die Lage stabil auf entspanntem Niveau. In China liegen 652 akute Infektionen vor. In Südkorea stellt sich die Zahl auf 877. In Japan liegt sie bei 5.103. In Singapur sind es 3.637.

In Kontinentaleuropa ist die Lage stabil. Einige Länder liefern keine aktuellen Genesungszahlen laut Johns-Hopkins, so dass wir uns hier nur auf ausgewählte Länder fokussieren, die ihren Aufgaben nachkommen. In Deutschland liegt die Zahl der akuten Infektionen bei 6.831. Österreich liegt bei 1.373 Fällen. Die Schweiz bringt es auf 1.353. In Italien sind es noch 12.404. Irritierend und partiell grotesk sind u.a. die Genesungszahlen aus den Niederlanden, Belgien, Spanien, Frankreich und Schweden. 

Die Problemländer sind vor allen Dingen die USA (2.528.876 aktive Fälle), Brasilien (524.226) und Indien (402.728) bezüglich Tendenz und Amplitude der Ausbreitung. In Russland beginnt sich die Situation zu beruhigen (211.160).

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Corona wirkt auf Leistungsbilanz

Der Leitungsbilanzüberschuss der Eurozone stellte sich per Berichtsmonat Mai in der saisonal bereinigten Fassung auf 8,00 Mrd. Euro nach zuvor 14,40 Mrd. Euro. Damit ergab sich der geringste Überschuss seit Oktober 2012. Hintergrund sind die Verwerfungen im Rahmen der Corona-Krise. Die aktuelle Entwicklung ist bezüglich der Amplitude des Trends nicht extrapolierbar.

Japan: Preisentwicklung ohne neue Erkenntnisse

Die Verbraucherpreise stiegen in Japan per Juni im Jahresvergleich um 0,1% (Vormonat 0,1%). Die Kernrate war per Juni im Jahresvergleich unverändert (Prognose -0,1%) nach zuvor -0,2%.

Polen: Industrieproduktion setzt positiven Akzent

Die Industrieproduktion setzte per Berichtsmonat Juni einen unerwartet positiven Akzent. Es kam zu einem Anstieg im Jahresvergleich um 0,5% nach zuvor -17,0%. Die Prognose lag bei -6,9%.

Kasachstan: Unerwartete Leitzinssenkung 

Die Zentralbank Kasachstans senkte den Leitzins unerwartet von zuvor 9,50% auf 9,00%.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0850 - 70 neutralisiert den positiven Bias des Euros.  

Bleiben Sie gesund, viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer 
Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH


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