Scott Glasser | 02.03.2022 11:43
Kommentar von Scott Glasser, CIO bei Clearbridge Investments, Teil von Franklin Templeton
Aus makroökonomischer Sicht wird der Krieg in der Ukraine wahrscheinlich die globalen Inflations- und Lieferkettenprobleme verschärfen. Der Waren- und Materialfluss aus der Ukraine und Russland wird gestoppt und könnte die Lieferkettenprobleme vieler Unternehmen bei Rohstoffen , wie Stahl für Autos, verstärken. Der Anstieg der Erdgas- und Ölpreise wird sich erheblich auf die Gesamtinflation in den USA und nur geringfügig auf die Kerninflation auswirken. Die meisten Energiepreisspitzen treten am unteren Ende der Kurve auf und stellen eine geopolitische Prämie dar. Das obere Ende der Kurve preist ein wesentlich günstigeres Umfeld und eine möglicherweise geringere Wirtschaftstätigkeit ein, was zu niedrigeren Energiepreisen führen könnte.
Da die Inflationsrisiken eher nach oben gerichtet sind, wird die Fed wahrscheinlich nicht wesentlich von den geplanten Zinserhöhungen in dieser Situation abweichen. Gegenwärtig rechnet der Markt mit 5.9 Zinserhöhungen für die nächsten drei Jahre. Wichtig ist, dass die Fed mehr Gewicht auf die Kerninflation ohne Lebensmittel und Energie legt, so dass höhere Rohstoffkosten die Entscheidungsträger nicht wesentlich beeinflussen dürften. Die Situation in der Ukraine könnte jedoch zu einem dovisheren Zinsszenario für die Europäische Zentralbank (EZB) führen.
Energie- und Rüstungsaktien widersetzten sich bisher dem Ausverkauf, obwohl die kurzfristigen Aussichten beider Branchen wahrscheinlich direkt von dem Konflikt betroffen sein werden. Die Invasion in der Ukraine findet zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt für die Weltwirtschaft statt, da die Ölpreise aufgrund der sich erholenden Nachfrage und des unzureichenden Angebots bereits in den Bereich von 70 bis 80 US-Dollar pro Barrel gestiegen sind. Die weltweite Ölindustrie hat in den letzten Jahren zu wenig in ihre Produktionskapazitäten investiert und hat daher Schwierigkeiten, mit mehr Barrel zu reagieren, um den höheren Preisen entgegenzuwirken. Die großen ölproduzierenden Länder in der OPEC+ zeigen bereits Schwierigkeiten die Förderquoten zu erreichen.
Dennoch könnten die Brent-Rohölpreise bis zur Lösung des Konflikts im Bereich von über 100 $/Barrel verharren, da mögliche Energiesanktionen gegen Russland oder potenzielle Pipelineunterbrechungen aufgrund des Konflikts zu Versorgungsunterbrechungen führen könnten. Russland liefert 10 % des weltweiten Rohöls und 30 bis 40 % des europäischen Erdgasbedarfs. Die europäischen Erdgasspeicher lagen bereits vor dem Ukraine-Konflikt weit unter dem normalen Niveau, und die russischen' Lieferungen an den Kontinent sind gegenüber 2021 bereits um etwa 40 % zurückgegangen. Jede weitere starke Beeinträchtigung des Angebots könnte die europäischen Erdgaspreise weit über das heutige Niveau von über 30 Dollar pro tausend Kubikfuß treiben. Dies zeigt die Notwendigkeit von mehreren europäischen Nationen, sich für die langfristige Versorgung mit Flüssigerdgasprojekten aus dem Ausland zu entscheiden. Die europäischen Märkte sind angesichts der Schlagzeilen über den "Krieg in Europa" und der unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft am stärksten betroffen.
Die Erdgas-Futures stiegen um bis zu 40 %, da die Zusage Deutschlands', die Erdgaspipeline Nord Stream 2 nicht zu zertifizieren, einen Kontinent, der bereits unter der Rohstoffinflation leidet, weiter unter Druck setzte. Höhere Energiekosten, die den Verbrauchern schaden, und die Höhe der russischen Sanktionen werden sich auf das Wachstum in Europa auswirken und die Wachstumsaussichten in den USA beeinträchtigen.
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