Türkei vor Zinserhöhung – Ende der Lira-Abwertung in Sicht

 | 18.07.2013 12:56

Langfristig spricht vieles für ein Engagement in der türkischen Währung

In diesen Tagen komme ich in keinem Kommentar um den Namen Ben Bernanke herum, was wieder einmal zeigt, wie abhängig ausnahmslos alle Märkte derzeit von der internationalen Geldpolitik, allen voran der US-Notenbank sind. Seitdem Bernanke offen darüber spekuliert, den bislang unendlich scheinenden Geldregen in naher Zukunft doch etwas zu limitieren, rumort es auch in den Schwellenländern gewaltig.

Eine restriktivere Geldpolitik in den USA macht den Dollar langfristig wieder attraktiv. Deshalb verkaufen die Investoren rund um den Globus in diesen Tagen verstärkt andere Währungen zu Gunsten des Greenbacks. Dies allein wäre nicht allzu dramatisch, würden die Währungsverluste nicht zu einem Vertrauensverlust bei den Anlegern führen, die nun beginnen, ihre kompletten Engagements aus den betroffenen Schwellenländern, sei es in Aktien oder Anleihen, abzuziehen. Diese Kettenreaktion sorgt für enorme Verschiebungen am Kapitalmarkt und bringt gerade Länder wie die Türkei, die aufgrund ihres hohen Leistungsbilanzdefizites auf ausländisches Kapital angewiesen sind, unter Druck.

Deshalb hat es das Land am Bosporus in den vergangenen Wochen auch besonders hart getroffen. In der Spitze büßte die Türkische Lira seit Anfang Mai fast zehn Prozent gegenüber dem US-Dollar ein, das Minus zum Euro lag bei neun Prozent. Allerdings ist die Schuld im Fall Türkei nicht allein bei einer bevorstehenden Kursänderung der US-Notenbank zu suchen. Die politischen Unruhen, ausgelöst durch die unterschiedlichen Zukunftspläne von Politik und großen Teilen der Bevölkerung für den Istanbuler Gezi-Park, haben die Investoren zusätzlich verunsichert.

Langfristig halte ich aber die politischen Risiken in der Türkei für beherrschbar, während es deshalb nun gilt, das Augenmerk darauf zu legen, wie das Land mit den sich verändernden Bedingungen an den Finanzmärkten zurecht kommt. Aber auch in diesem Punkt bin ich leicht positiv gestimmt und glaube, dass die Türken gute Voraussetzungen haben, langfristig den Investoren weiterhin attraktive Renditen bei vernünftigem, heißt bezahlbarem Risiko zu bieten.

Zinserhöhung ist der absolut richtige Schritt
Nicht gerade vertrauenserweckend mutet hier allerdings die Tatsache an, dass die türkische Finanzaufsicht in der vergangenen Woche damit begonnen hat, die Kapitalabflüsse aus dem Land genauer unter die Lupe zu nehmen. Die zwar offiziell als „Routine“ bezeichneten Untersuchungen haben einen faden Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass der türkische Premier Erdogan hinter Zinsentwicklungen generell Verschwörungstheorien und eine mächtige „Zins-Lobby“ vermutet. Während der Muslime Erdogan eher gar keine Zinsen sehen möchte, denkt die Türkische Zentralbank aktuell über eine Erhöhung des aktuellen Leitzinses von 4,5 Prozent nach, um den Verfall der Lira zu stoppen. Bislang versuchte sie mit Interventionen am Devisenmarkt durch Dollar-Verkäufe den Druck von der Türkischen Währung zu nehmen. Seit dem 11. Juni verkaufte sie 6,4 Milliarden US-Dollar, was zwölf Prozent der heimischen Devisenreserven entsprach. Die verbleibenden lediglich 40 Milliarden US-Dollar machen deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten der Zentralbank in diesem Punkt sind. Deshalb ist eine Zinserhöhung zum jetzigen Zeitpunkt der absolut richtige Schritt.

Das Argument, steigende Zinsen schadeten der Wirtschaft, gilt zwar auch hier. Dennoch schätze ich den möglichen Schaden durch eine weiter fallende Lira weitaus höher ein. Erstens würde dies die aktuelle Inflationsrate von 8,3 Prozent durch höhere Importpreise von Energie und anderen Rohstoffen weiter in die Höhe treiben. Und zweitens könnte die Angst vor weiteren Währungsverlusten zu einem nicht mehr kontrollierbaren Abfluss ausländischen Kapitals führen, was der Wirtschaft sehr viel mehr schaden würde als eine Zinserhöhung um 100 Basispunkte auf dann 5,5 Prozent. Alles andere als diese 100 Punkte wäre auch eine Enttäuschung nach dem nächsten Notenbank-Treffen am kommenden Dienstag, denn verbal haben die Währungshüter die Märkte zu Beginn dieser Woche schon einmal auf diesen Schritt eingestimmt. Seitdem hat die Türkische Lira ihre Talfahrt zumindest vorerst stoppen können, die längerfristige Entwicklung wird auch davon abhängen, ob die Türkei bald wieder mit wirtschaftlichen Themen statt mit Bildern von Straßenschlachten in den Medien punkten kann.

Türkei mit guten Voraussetzungen für überproportionales Wachstum
Denn die wirtschaftliche Bilanz der vergangenen Jahre liest sich durchaus sehr positiv und auch die Rahmenbedingungen bieten eine gute Voraussetzung dafür, dass das Land am Bosporus überproportional von einer Erholung der Weltwirtschaft profitieren kann. Um jährlich rund fünf Prozent ist die türkische Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren gewachsen. Einen Dämpfer gab es 2012, als das Wachstum auf immer noch im europäischen Vergleich beachtliche 2,2 Prozent einbrach. Mit 3,5 Prozent wird für dieses Jahr gerechnet, viel hängt aber hier sicherlich wie schon angesprochen von der wirtschaftlichen Gesamtwetterlage ab, einem weiteren Jahr ohne nennenswerte weltwirtschaftliche Impulse könnte sich auch die Türkei nicht entziehen. Die gute geografische Lage zwischen West- und Osteuropa auf der einen und Afrika und dem Nahen Osten auf der anderen Seite eröffnet den Türken ein enormes Absatzpotenzial. Hinzu kommt ein hohes Potenzialwachstum, welches aus der sehr jungen Bevölkerung resultiert. Ein Viertel der Türken ist noch keine 15 Jahre alt, zum Vergleich: In den USA liegt dieser Anteil bei nur 20 Prozent, in Deutschland und Japan bei gerade einmal 13 Prozent.

Größtes Risiko ist und bleibt das Leistungsbilanzdefizit
Das größte Risiko eines Investments in der Türkei sehe ich aktuell im immer weiter steigenden Leistungsbilanzdefizit. Das Minus nahm allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres um 22 Prozent zu und liegt jetzt mit 51 Milliarden US-Dollar bei 6,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Als 2011 dieses Defizit auf zehn Prozent ansprang, verlor die türkische Währung rund 20 Prozent an Wert. Gelingt es der Türkei, diesen Trend zu durchbrechen und die Bilanz zumindest kurzfristig zu stabilisieren, sehe ich gute Chancen für eine Erholung der Lira. Der Grundstein sollte mit der Zinserhöhung am Dienstag gelegt werden.

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Auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten erscheint mir zunächst ein Anstieg auf das lang gehaltene Niveau zwischen 2,30 und 2,40 EUR/TRY wieder realistisch. Für ein Investment in die Türkische Lira spricht aktuell auch das Verhältnis der Zinsen in der Euro-Zone und der Türkei. Bei einer Lira-Position im Gegenwert von 10.000 Euro (also dem Verkauf von 10.000 EUR/TRY) erhält man auf der FXCM-Handelsplattform aufgrund der Zinsdifferenz aktuell 0,69 Euro pro Nacht an so genannten Roll Over Zinsen. Diese dann rund 2,5 Prozent pro Jahr addieren sich dann noch zum entsprechenden Kursgewinn der türkischen Währung, was die Lira auch durchaus als Carry-Trade-Währung interessant macht.