Stockstreet GmbH | 31.10.2019 09:46
Die Märkte tun, was sie sollen. Wie vorgestern hier an dieser Stelle beschrieben, sind die Anleger vor dem wichtigen Ereignis des gestrigen Zinsentscheides der US-Notenbank (19:00 Uhr MEZ) in eine abwartende Haltung übergegangen. Die Aktienindizes wurden dadurch in eine enge Konsolidierung geschickt.
EUR/USD arbeitet an seiner Trendwende
„Ausschlaggebend für die weitere Kursentwicklung wird die heutige Zinsentscheidung der US-Notenbank sein“, hieß es vorgestern auch dazu. Und das gilt auch für den EUR/USD. Der Wechselkurs arbeitet weiter an einer kurzfristigen Trendwende. Nach den dynamischen Kursgewinnen, mit der die mögliche Trendwende eingeleitet wurde (siehe auch Börse-Intern vom 17. Oktober ), kam es inzwischen zu einem leichten Rücksetzer. Mit diesem wurden fast genau 38,20 % der Kursgewinne seit Anfang Oktober abgegeben (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart). Und seitdem legt der Kurs wieder zu.
Damit bestehen aktuell beste Chancen für eine Fortsetzung der Trendwende. Denn mit dem Rücksetzer wurde das Mindestziel einer Gegenbewegung erreicht und abgearbeitet. Die zuvor kurzfristig starken Kursgewinne wurden somit aus Sicht der Fibonacci-Marken (graue Linien) hinreichend korrigiert, so dass sich nun eine zweite Aufwärtswelle anschließen kann. Das entscheidende Kaufsignal wäre allerdings erst ein neues Bewegungshoch oberhalb von 1,11793 USD.
US-Wirtschaft wächst stärker als erwartet
Aktuelle Wirtschaftsdaten haben daran allerdings zunächst Zweifel aufkommen lassen. Denn wie das US-Handelsministerium gestern mitteilte, wuchs die US-Wirtschaft nach einer ersten vorläufigen Berechnung im 3. Quartal 2019 um auf das Jahr hochgerechnete 1,9 %. Und damit konnte sie das Wachstumstempo vom Sommer (+2,0 %) beinahe halten, womit die Erwartungen (+1,6 %) übererfüllt wurden.
Angesichts des US-chinesischen Handelsstreits und der sich daraus ergebenden Belastungen für die Weltwirtschaft ist das robuste Wachstum der US-Wirtschaft erstaunlich. Und dieses spricht gegen einen Anstieg des EUR/USD. Denn dieser würde eine Aufwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar bedeuten. Da die Wirtschaft der USA aber deutlich besser läuft als die der Eurozone, wäre eher das Gegenteil zu erwarten. Denn hohes US-Wachstum zieht grundsätzlich Investitionen aus dem Ausland an. Für diese müsste aber die Auslandswährung in den US-Dollar getauscht werden, was die Nachfrage nach der US-Devise und somit deren Kurs steigen lassen sollte.
Zumal durch das robuste Wachstum der US-Wirtschaft auch eine weitere Zinssenkung der Notenbank Federal Reserve (Fed) weniger nötig erscheint und das Ausbleiben des erwarteten Zinsschrittes den Dollar ebenfalls stärken würde. Denn niedrigere US-Zinsen lassen Dollar-Investments weniger attraktiv erscheinen. Bleiben die US-Zinsen aber auf dem aktuellen Niveau und damit die Zinsdifferenz zum Euro hoch, neigen Euro-Anleger dazu, ihr Geld nicht in der heimischen Währung anzulegen (zu teilweise negativen Renditen), sondern den Euro in US-Dollar zu tauschen und in den USA zu investieren. Das Angebot an Euros nimmt zu, ebenso wie die Nachfrage nach US-Dollars, womit der EUR/USD sinkt.
Hohes Wachstum ist durch hohe Staatsschulden erkauft
Allerdings gilt es zu beachten, dass das hohe Wachstum der USA zu einem großen Teil mit Staatsschulden erkauft wird. Wie das Finanzministerium der USA am vergangenen Freitag mitteilte, ist das Staatsdefizit der USA im Haushaltsjahr 2019 auf fast eine Billion US-Dollar und damit den höchsten Stand seit 12 Jahren angeschwollen. In dem Ende September zu Ende gegangenen Haushaltsjahr wuchs das Defizit im Vergleich zu den vorherigen zwölf Monaten um satte 26 %. Die Gesamtverschuldung der USA summiert sich dadurch inzwischen auf fast 23 Billionen US-Dollar. Zwar legten die Staatseinnahmen in dem Haushaltsjahr um 4 % auf 3,462 Billionen Dollar zu, gleichzeitig wuchsen aber auch die Staatsausgaben um 8 % auf 4,447 Billionen Dollar.
Derweil sind die Investitionen der Unternehmen, wohl in Folge der Unsicherheiten durch den Handelskonflikt, zuletzt so stark zurückgegangen wie seit fast vier Jahren nicht mehr (-1,3 % im 3. Quartal 2019). Neben den hohen Staatsausgaben (+2,0 %) wurde dies allerdings auch zu einem sehr großen Teil durch regen Konsum der Verbraucher kompensiert, der im Jahresvergleich um 2,9 % zulegte.
Dennoch: Während das hohe Wachstum der US-Wirtschaft theoretisch ein Argument für den Dollar und gegen den Euro bzw. den EUR/USD ist, spricht die dramatisch ansteigende Staatsverschuldung der USA gegen den Dollar und für die Trendwende im EUR/USD. Denn was eine steigende Staatsverschuldung für eine Währung bedeuten kann, haben wir im Rahmen der Euro-Schuldenkrise erlebt. Und insbesondere wenn die US-Notenbank den erwarteten Zinsschritt (Zinssenkung um 25 Basispunkte auf das Leitzinsintervall von 1,50 % bis 1,75 %) vornimmt, ist angesichts der abnehmenden Zinsdifferenz mit einem weiter steigenden EUR/USD zu rechnen. Bleibt die Zinssenkung aus, könnte sich hingegen auch die übergeordnete Abwärtstendenz der Vormonate fortsetzen.
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Sven Weisenhaus
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